Jul 27, 2020

City-Look: MOSKAU. Auf dem Weg zur kreativen Modemetropole.

Aktualisiert am 24. November 2022

Sie gelten als stolz, schön und mondän – die russischen Frauen und auch die Männer lieben Opulenz, Glamour und Detailreichtum. Stärker als im Westen gilt das Äußere als Statussymbol und nirgendwo wird man mehr an dem gemessen, was man zur Schau trägt, als auf den Straßen Moskaus. Absolute Perfektion – von den Zehennägeln bis zur letzten Haarspitze ist Trumpf. All das ist tatsächlich mehr als ein Klischee, sondern eine kulturell verwurzelte Haltung – und wirkt heute genauso wie vor Jahrzehnten. Aber wer immer noch glaubt, dass russische Mode Prinzessinnen-Couture für gelangweilte Oligarchen-Gattinnen ist, der irrt sich. Die Zeiten von Pelz-Chapkas und Logo-Wahn sind vorbei.

Klischee, adé!

Es ist also an der Zeit, mit dem Klischee über den russischen Style aufzuräumen. Mein erster Gedanke zu russischer Mode war zunächst auch, dass sie alles andere sein muss als angesagt und stylish. Ein wenig zu viel von allem: opulenter Pelz, Prunk und Glitzersteinchen etc. Dass diese Looks lange ausschließlich als das Nonplusultra galten, hat auch historische Gründe: Mit dem Fall der Eisernen Vorhangs setzte bei denjenigen, die es sich leisten konnten, ein absoluter Konsumrausch ein. Das Bedürfnis nach Luxus nahm schon fast geschmacklose Ausmaße an. Und jetzt weicht die Sucht nach Luxus einem neuen Gespür für Stil.

Wenn ihr heute durch die Straßen Moskaus flaniert, begegnet euch etwas ganz anderes, nämlich eine Vielfalt an Stilen – darunter könnt ihr auch Destroyed Looks, kreative Kombinationen mit fließenden Silhouetten oder betont legeren Scandi-Style finden.

Und dennoch: Die Moskauer sind Individualisten und zeigen gerne ihren Status. Doch die Erwartung, die Schönen und Reichen in Pelz, Pailletten und Glitzer gekleidet zu sehen, bestätigt sich nicht mehr. Und nein, auf Moskaus Straßen wimmelt es auch keineswegs von Frauen auf 12 cm-Heels, welch ihre in der Taille gegürteten Echtpelzmäntel ausführen. Was aber nach wie vor fühlbar ist: Die Moskauer haben ein Faible für Schönheit und Ästhetik. So spielen Mode und Kosmetik eine große Rolle. Während es früher den russischen Frauen darum ging, Logos zu tragen, um ihren Reichtum und Status zu demonstrieren, lautet jetzt die Devise: Weniger ist mehr. Moskauerinnen tragen flache Schuhe, lockere Mäntel, coole bequeme Knitwear und schmale Jeans.

Von Pomp zu Stil: Frischer Wind auf Moskaus Runways und Straßen

Die jungen russischen Designerinnen und Designer sind innovativ und kreativ und präsentieren auf den Schauen der Moskau Fashion Week unter anderem lässige Streetwear, Ostblock-Style, »Homeless Chic« mit Unisex-Jogginganzügen, Sneakers und Workwear, klare Schnitte mit traditionellen Drucken und Stickereien, welche die Einflüsse der russischen Geschichte zitieren, und derbe Boots oder klobige Schnürer. Auch die osteuropäische Tracht wird zur Inspirationsquelle junger Kreativer. Opulente Stickereien, florale Muster und die dominierenden Farben Rot, Schwarz und Weiß finden sich an Ärmeln oder am Saum der Designs.

Überhaupt: Nicht nur auf den Runways auch auf der Straße haben Moskauerinnen High Heels gegen Sneakers und Stiefeletten eingetauscht. Dazu kombinieren sie elegante Outfits. Oder kleiden sich gleich sportiv und leger mit Flats und Jackets oder Culottes und Sneakers – den dicken Wollschal dekorativ um die Schulter gelegt, die XXL-Clutch unter den Arm geklemmt. Ab und zu sieht man auf den Prachtstraßen auch besonders glamouröse Looks und sehr kurze Mini-Dresses mit High Heels. Aber gleich daneben wieder stylishe Daunenjacken und lange Wollmäntel. Die kreativen Designs bewegen sich definitiv weg vom stereotypisierten Bild mit kurzen Kleidern und opulenten Pelzmänteln.

 

Viel Geld für schöne Dinge & Fixierung auf stimmige Outfits

»I’m really happy because the world has never heard anything about Russia in terms of fashion before. They know us for ballet and things like that but not for fashion.«, mit diesen Worten kommentierte die internationale Stilikone und gebürtige Russin Miroslava Duma in einem Interview mit der britischen Zeitung metro die Entwicklung im Fashionbereich. In Moskau ist viel in Bewegung – mittlerweile gilt Moskau neben Paris, Mailand, London und New York als »fünfte Modehauptstadt«. Die Ränge bei der »Fashion Week Russia« sind in der Regel bis auf den letzten Platz gefüllt. Designerinnen wie Alena Akhmadullina oder Olga Yakubowitch definieren mit ihren Looks Weiblichkeit und zugleich russische Geschichte neu. Olga Yakubowitch zeigte 2019 schwarze Kleider mit aufwändigen Pelzkrägen als Neuinterpretation weiblicher Offizierskleidung. Übrigens ist Pelz in Russland nach wie vor als Material gesetzt – leider gibt es hier keine Debatte darüber. Alena Akhmadullina spielt gekonnt mit der weiblichen Silhouette. Ihre fließenden Empire-Kleider erinnern mich an die femininen Looks von Lena Hoschek, weite Midiröcke werden mit XXL Pullis mit verspielten Applikationen kombiniert, schmale hochgeschnittene Bundfalten-Hosen mit engen Tops ergänzt und Lederkleider mit schmalen Trägern versehen. Dazwischen jede Menge Statement-Ärmel, Cut-outs und Prints und spannende Materialien. Dieser veränderte Spirit ist nicht nur auf den Couture-Shows zu spüren, sondern inspiriert auch die Fashionblogger und Streetstyle-Stars bis hin zu den Outfits der Modebegeisterten auf den Straßen Moskaus.

Wollte man die neue russische Ästhetik der Fashionistas auf Moskaus Straßen beschreiben, könnte man sagen: Eigentlich passt nichts zusammen und doch entsteht ein 100 Prozent perfektes Outfit – mit dem gewissen Etwas. Und auf diese Perfektion bis ins letzte Detail legen die Moskauerinnen wert – egal, welcher Stil gerade getragen wird. Diese Stil-Vielfalt bei hoher Perfektion ist vielleicht der entscheidende Unterschied zu allen anderen Modemetropolen. Wer es sich leisten kann, gibt viel Geld für Mode aus, denn Schönheit ist nach wie vor ein hohes Gut in Moskau. Nicht ohne Grund ist die VOGUE Russia eines der meistverkauften Modemagazine der Welt. Zwar werden die Looks stilistisch immer individueller, aber die Moskauerin bleibt anspruchsvoll. Nichts wird dem Zufall überlassen: Das pinkfarbene Oversize-Shirt mit Leo-Print macht im Team mit der Jacke im Military Style, den klobigen Boots, der Leo-Handtasche und dem Andalusier-Hut einfach Eindruck. Passender Lippenstift und Nagellack perfektionieren das Ensemble.

Die offene und vielfältige Interpretation von Weiblichkeit macht im Moment die Moskauer Streetstyles so spannend. Ich bin gespannt, wohin die Fashion-Reise geht. 

Moskau City-Style

Dos

– Ausgefallene Schnitte ungewöhnlich kombinieren
– Auf Details wie Statement-Ärmel und raffinierte Krägen setzen
– Dekonstruierte Blusen zu Klassikern wie Jeans tragen
– Oversize Pieces miteinander kombinieren
– Longtops zum Kleid umstylen
– Layering-Looks in Schwarz
– Stylishe Parkas und lässige Mäntel
– Flache Lackstiefel zu großmaschiger Knitwear
– Von Kopf bis Fuß 100% perfekte Outfits zusammenstellen

Don’ts

– Neonfarben all over
– Lederjacken mit Nieten
– Vintage-Looks
– Color-Blocking
– Zeitlose Eleganz
– Alternative oder Öko-Outfits
– Fauxpas bei der Auswahl der Accessoires
– Unpassender Nagellack
– Komplett auf Schmuck verzichten

 

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Meine Liebe zu Mode und Kommunikation hat mich zu Ana Alcazar gebracht – als Texterin & Konzepterin in der klassischen Werbung groß geworden, schreibe ich seit fast 10 Jahren für unser Münchner Designerlabel. Im Redaktionsteam bin ich für alle Corporate-Themen zuständig, außerdem befasse ich mich hier mit aktuellen Trends & meinem Herzensthema Gleichberechtigung,

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