Rockabilly & Bleistiftröcke. 50er Jahre Mode in der Retrospektive.
Aktualisiert am 27. Oktober 2022
» Es ist nahezu eine Revolution, mein lieber Christian! Ihre Kleider kreieren einen richtigen New Look!«
Carmel Snow, Chefredakteurin Harper’s Bazaar, 1947
Weiblichkeit, Optimismus und tradierte Rollenbilder – in den 50er Jahren zelebrierte man mit verschwenderischem Design die Abkehr von der notgedrungen pragmatischen Kleidung der Kriegsjahre. Und ja, es gab Grund zur Freude: Der 2. Weltkrieg war Geschichte und der Wirtschaftsaufschwung nahm langsam Fahrt auf. Diese Faktoren waren prägend für das Lebensgefühl. Die Menschen dachten vorwärtsgerichtet und alle Energie floss in den Wiederaufbau. Nach Jahren voller Zerstörung und traurigen persönlichen Schicksalen war die Sehnsucht nach Normalität groß. Diese zeigte sich einerseits in dem Wunsch nach einem harmonischen Zuhause, andererseits in der erwachenden Liebe zum Luxus. Kein Wunder, dass Autos, allen voran das Cabrio, zum Statussymbol wurden. Die Vergangenheit war passé und niemand wollte sich damit auseinandersetzen. Stattdessen inszenierte man seine eigene heile Welt – mit klar definierten Rollenmodellen für Mann und Frau.
In dieser Phase des Wiederaufbaus kam es zu einem emanzipatorischen Rückschritt. Viele Frauen interessierten sich kaum für die Arbeitswelt und fokussierten sich auf Ehemann und Kinder. Klassische Rollenmodelle prägten die insgesamt konservativ ausgerichtete Gesellschaft. Das spiegelte sich auch in der Mode wider. Es erstaunt nicht, dass die weibliche Silhouette eine massive Aufwertung erfuhr.
Der angesagte Rock-Trend war wadenlang und kam in zwei Spielarten vor: wadenlang – als weiter Petticoat oder als enger Bleistiftrock. Oberteile saßen figurbetont und akzentuierten die Taille. Christian Dior war der Designer der Stunde – er kreierte den signifikanten Look aus heller Kostüm-Jacke mit schwarzem ausgestellten Rock. Dieses Ensemble ging als sog. »New Look« in die Modegeschichte ein. Präsentiert im Februar 1947 im Rahmen seiner ersten Haute-Couture-Kollektion in Paris, avancierte das Outfit aus dem Oberteil mit abgerundeten Schultern und geschnürter Taille sowie dem wadenlangen, fülligen Rock zu dem Must-have der frühen 50ies. Kennzeichnend waren sowohl die weichen Formen und die Detailverliebtheit als auch die verschwenderischen Mengen an Stoff. Damit trag der Designer zielsicher den Nerv einer Zeit, in welcher die Sehnsucht nach dem »guten Leben« so groß war.
1954 präsentierte schließlich Coco Chanel ihr berühmtes Kostüm. Hosen waren aus der Garderobe der Frauen fast ganz verschwunden – bis auf die etablierte Marlene-Hose und als revolutionäres Novum die enge Caprihose, wie sie Audrey Hepburn trug.
Neue Stoffe, neue Silhouetten und die Wespentaille
In jeder prägenden Modeepoche gibt es auch ganz praktische Dinge, welche den Ausschlag geben. Sicherlich entscheidend war, dass in den 50er Jahren die Stoffindustrie boomte. Nach all den Entbehrungen legten die Frauen großen Wert darauf, Klasse und Femininität zu verkörpern. Die weibliche Silhouette stand im Fokus der Inszenierung – die Wespentaille, die in weibliche Rundungen mündet, galt als absolutes Schönheitsideal. Das Mieder erlebte wieder einen Aufschwung. Die Saumlänge der Röcke verdeckte zunächst die Waden, später kam die Knielänge dazu, an den Oberteilen fanden sich häufig Raglanärmel. Auch kombinierte man gern eine kurze, eng taillierte Weste zu den Looks, das sog. »Gilet«.
Neue pflegeleichte und erschwingliche Synthetikstoffe wie Kunstseide kamen auf den Markt. Sie waren preiswert, pflegeleicht und meist knitterfrei. Farblich waren die Stoffe meist in klassischen und dezenten Tönen gehalten. Das große Wirtschaftswunder stand erst am Anfang und bei allem Optimismus war die Zeit für mehr Farbintensität irgendwie noch nicht reif.
Man legte großen Wert auf Looks, die von Kopf bis Fuß stimmig waren. Accessoires wie Handschuhe, Hüte und Handtaschen gehörten unabdingbar zum Outfit dazu. Die Schuhmode veränderte sich – weg von flachen Schuhen oder Keilabsätzen hin zu schmaleren Modellen mit dünnen Absätzen. Tagsüber wählte man ein Twinset mit Faltenrock, abends war der Petticoat en vogue. Und auch Mode wurde mehr als in allen anderen Epochen zum Statussymbol.
Die Ikonen der Zeit: Audrey Hepburn, Brigitte Bardot, Grace Kelly und Marilyn Monroe
Pin-up-Ikonen und figurnahe Kleidung, welche die Taille betont und die Beine in die Länge zaubert, Kitten Heels und Mieder für ein betont feminines Dekolleté – die Modeepoche der 50er Jahre inszenierte pure Weiblichkeit. Auch das Tragen von Cocktailkleidern war angesagt. Diese waren meist kurz, aber trotzdem elegant und festlich.
Die typischen Looks – feminin konservativ oder Rockabilly-Style
► Der Bleistiftrock
Christian Dior modifizierte den gerade geschnittenen, enganliegende Rock – bestens bekannt aus 20er- und 40er Jahren – hin zur H-Linie. Voilà, das Trendpiece der 50ies war geboren. Gerade, enganliegend, knielang und geschlitzt – meist wurde der Bleistiftrock mit Bluse und passendem Blazer getragen.
► Der Plissee-Rock
Während beim Bleistiftrock jeder Schritt wohl gesetzt sein will, fördert der ausgestellte Plissee-Rock in Midi-Länge einen besonders schwungvollen Gang. In Kombination mit einem figurbetonten Blazer, Handschuhen, einem Tamburin-Hut und schmalen Schuhen prägte er eines der vielleicht bekanntesten Outfits der 50ies, das sog. »Bar Kostüm«.
► Die Kostüm-Jacke
Saß wie maßgeschneidert – die angesagte Jacke à la Christian Dior betonte Taille und Oberweite und verlieh im Team mit einem Rock der Hüfte optisch mehr Volumen. Das Dior-Original in Crème war vorne mit Knöpfen versehen. Dank des abgerundeten Saums passte die Jacke ideal zu dem schwarzen voluminösen Rock, den der Designer dazu entworfen hatte.
► Hochgeknöpfte Blusen
Auch, wenn Weiblichkeit Trumpf war, wollte man zu dieser Zeit nicht zuviel Haut zeigen. Im Fokus der modischen Inszenierung stand die Taille, weniger das Dekolleté. Blusen trug man hochgeschlossen zu den engen Bleistiftröcken. Die Maßgabe für die Looks lautete eindeutig: elegant, aber nicht zu freizügig.
► Rockabilly Vibes: Nicht ohne meinen Petticoat
Der Unterrock an sich ist nicht neu. Schon Jahrhunderte vorher gestaltete er Silhouetten. Im Zuge des Rockabilly-Kleides erlebt er ein Revival. Der Petticoat formte die viel gepriesene »Blütenkelchlinie« (»Ligne Corolle«) mit, also schmale Taille und runde Hüften. Während der obere Teil des Rockabilly-Kleides figurnah geschnitten war, sorgte der Petticoat bei den Röcken für Volumen. Weiße oder schwarze Punkte zierten die Designs, was den Kleidern eine liebliche Attitüde verlieh.
► Wenn schon Hose, dann Caprihose
An sich waren Hosen nicht gern gesehen. Die ¾ Hose – von der Designerin Sonja De Lennart nach der Insel Capri benannt – setzte sich aber durch. Die Capri-Hose wurde in den 50er Jahren kreiert und steht schon deswegen für die Mode der Zeit. Überzeugt hat sie auch, weil der Schnitt mit Schlitz am Beinsaum einfach bequem sitzt. Viele Prominente machten die Capri-Hose zum It-Piece.
► Der Pfennigabsatz erobert die Herzen
Die spitz zulaufenden Schuhe mit filigranem Absatz der 50ies sind die Reaktion auf die maskulin geprägten 40er Jahre. Eckige Formen und Wedges waren passé. Hollywood-Stars wie Marlene Dietrich beförderten die eh schon hohe Beliebtheit von Absätzen und einem Schuhmodell, das für uns heute nicht mehr wegzudenken ist: den Pumps.
► Must-have: Accessoire Handtasche
Als Vintage-Taschen finden wir sie heute noch stylish: die Lucite-Taschen aus den 50ies. Wegen des Ledermangels nach dem Krieg wurden die Designer kreativ und entdeckten das Kunstsoff-Material »Lucite«. Besonders in den USA beliebt, erwies sich der Kunststoff allerdings als sehr empfindlich. Heute sind Lucite-Taschen echte Sammlerstücke. Es gab noch ein weiteres Material, mit dem die Designer arbeiteten: Bambus. Die Modelle waren kantig geformt und wurden oft mit Kunsttoff-Henkeln versehen. Uns gefallen sie heute noch zu Boho-Looks.
Dein 50ies Style – aufregend und divers
Dos
- – Sanduhr-Silhouette kreieren
- – Taille betonen
- – Hemdblusenkleider und Bleistiftröcke tragen
- – Röcke und Kleider in Knie- oder Wadenlänge aussuchen
- – Neckholder- und Karre-Ausschnitte bevorzugen
- – Perlenschmuck anlegen
- – Seiden- oder Chiffonschals ergänzen
- – Mary Janes wählen
- – Frisur; Pferdeschwanz, Victory Rolls, üppige Haartollen, akkurat geschnittener Pony
- – Handschuhe und Hut nicht vergessen!
- – Bevorzugte Haarfarbe: Blond
Don’ts
- – A-Linien
- – Mini- und Maxilängen
- – Material- und Printmixes
- – Kunstlederröcke, Lederjacken
- – Jeans-Looks, Latzhosen
- – Athleisure
- – Androgyne Silhouetten
- – Überschnittene Taillen
- – Plateaus oder Keilabsätze
- – Flache Schuhe wie Mules oder Loafers
- – Sneakers
Wenn du deinen 50ies Look stylst, hast du mehrere Möglichkeiten. Achte aber unbedingt auf die Details, denn sie machen hier den Unterschied. Viel Spaß beim Zusammenstellen deines Outfits.