Okt 28, 2022

60er Jahre Mode – ein Jahrzehnt, das die (Mode-)Welt veränderte.

»There’s no need to dress like everyone else. It’s much more fun to create your own look.«
Twiggy

Kaum ein Jahrzehnt hat Deutschland so sehr geprägt wie die 60er Jahre. Anti-Babypille, Beatles und Hippies – die 60ies waren eine Zeit der Unruhe, des Auf- und Umbruchs und der Veränderung. Diese Stimmung zeigt sich auch in einer Art modischer und kultureller Revolution. Die konservative Gesellschaftsordnung sowie die prüden Moralvorstellungen der 50er Jahre hatten ausgedient. Studentinnen und Studenten wandten sich vom Ideal der kleinbürgerlichen Familie ab. So kämpfte die Jugend für politische, soziale und sexuelle Gerechtigkeit. Frauen verabschiedeten sich von der bislang vorherrschenden Identifikation als Hausfrau und Mutter und bemühten sich darum, eigenes Geld zu verdienen. Die Einführung der Antibabypille 1961 sorgte zusätzlich für sexuelle Selbstbestimmung. Musikalisch untermauerten die Beatles mit ihren Songs von England aus den Protest gegen den Vietnamkrieg. Rockbands wie die Rolling Stones oder The Who stimmten ein. Dabei ging es nie allein um Musik, sondern in erster Linie um eine Attitude, die sich gegen das Establishment richtete. Mehr denn je wurde Individualität zu einem Wert.

Ab Mitte der 60er Jahre erstarkte schließlich eine antibürgerliche und naturverbundene, pazifistische Jugendbewegung: die Hippies. 1968 war es soweit –die Protestwelle kam weltweit zu einem Höhepunkt: Studentinnen und Studenten gingen gegen den Vietnamkrieg, die rigide Sexualmoral und den nicht aufgearbeiteten Nationalsozialismus auf die Straße. In einer Ford-Fabrik in Dagenham (UK) streikten die Näherinnen und forderten gleiche Bezahlung für Frauen und Männer.


Wandel als Konstante & die Geburt der Prêt-à-porter – eine stilprägende Ära!

In diesem Klima erweiterten sich nicht nur die Grenzen der Musik und der Gesellschaft – sondern auch die der Mode. Eine bemerkenswerte Umkehr fand im Fashion-Bereich statt: Ab jetzt setzte die Jugend die Mode-Trends, die erst im zweiten Schritt von der Haute Couture und Prêt-à-Porter übernommen wurden. Ganz im Gegensatz zu vorher. Denn eigentlich entstand Mode bis dahin in den privilegierten Schichten und wurde später erst für die breite Masse zugänglich. Kleidung verlor also die Rolle als Indikator für die soziale Stellung und Bildung. Besonders spannend: Trotz der völlig unterschiedlichen Stilrichtungen erzeugte die Mode ein Gleichheitsgefühl unter der Jugend – egal, ob man Hippie-Styles trug oder A-Linien-Kleider mit Plateau-Stiefeln. Das war gelebte Diversität! Auch Designerinnen und Designer experimentierten mehr als je zuvor. Materialien wie synthetische Stoffen, Metall oder Plastik kamen in teilweise schrillen Kreationen zum Einsatz.

Kurz: Das Spannende und Außergewöhnliche ist, dass sich dieses Jahrzehnt nicht auf eine modische Stilrichtung festlegen lässt, sondern dass mehrere starke Strömungen parallel existierten. Fashion-Strömungen, die immer noch eine große Rolle in unseren Looks spielen: Die 60ies mit ihren typischen klaren Silhouetten, Retro-Farben und Prints sowie – gegensätzlich dazu – der individuelle und improvisierte Style der Hippie-Bewegung sind heute weiterhin stilprägend. Sommer für Sommer. Winter für Winter.

Aktuelle Looks im Stil der 60er Jahre


Ein neues Frauenbild: Twiggy

Die neue Ära und die politisch-sozialen Strömungen veränderten auch das Frauenbild: Das gehypte englische Topmodel Twiggy (engl. »twig« – dürrer Zweig) erteilte dem femininen Frauenbild eine klare Absage. Im Gegensatz zum wohlgenährten Idealtypus der 50er waren nun knabenhafte, zierliche Figuren gefragt. Mit ihrem androgynen Körper, dem Bubikopf-Haarschnitt und auffälligen Wimpern prägte die Britin Lesley Hornby, so ihr bürgerlicher Name, ein neues Schönheitsideal. Mit 16 Jahren schaffte sie es auf die Cover sämtlicher renommierter Modemagazine. Sie kreierte einen neuen Style für Frauen: Herrenhemden, knallige Farben, A-Linien-Schnitte, Minis und kurzes Haar charakterisierten den sogenannten Twiggy-Look. Großen Einfluss hatte auch die Kultur-Szene. Besonders die Kunstrichtungen Pop-Art und Op-Art zeigten sich in Form von auffälligen Mustern auf Kleidern, Blusen und Mänteln. Auch Jackie Kennedy, die amerikanische Präsidentengattin, galt mit ihrem modernen Look als Stilikone.


Die modische Emanzipation – Überblick über die 60er Jahre Mode.

Kurze Röcke und knabenhafte Schnitte setzten ein Zeichen gegen die Bürgerlichkeit. Frauen trugen Hosen und kurze Haare. Alternativ frisierten viele Frauen den sogenannten »Bienenkorb« (»Beehive«), die typische voluminöse 60er Toupier-Frisur, die u. a. Stilikone Brigitte Bardot liebte. Dazu passte eine große, mondäne Sonnenbrille à la Jackie Kennedy und ein auffälliger Lidstrich. Später brachten die Hippies mit ihren wallenden Flower-Power-Looks einen ungesehenen Dresscode ins Spiel. Männer liebten Rüschenhemden und lange Haare. Aber der Reihe nach …


Mary Quant und der Minirock – ein Statement für Selbstbewusstsein

Sinnbild für die sexuelle Revolution und das modische It-Piece einer ganzen Generation: ein Rock der 10 cm über dem Knie endet. Inspiriert von dem neuen Frauen-Typ, den Twiggy verkörperte, entwarf die Modeschöpferin Mary Quant den Minirock – geliebt von der jungen Generation, verurteilt von der älteren. Der von ihr erfundene Minirock wurde 1963 zum Sinnbild der sexuellen Revolution, nachdem er in der britischen Vogue abgebildet worden war. Das war ein Statement und eine klare Abgrenzung zum Kult-Unterrock der 50er, dem Petticoat, der unter mindestens knielangen Röcken üblich war. Die Jugend in der 60ern trug den Mini zunächst mit Kniestrümpfen oder verspielten Socken. Erst später wurde die Feinstrumpfhose entwickelt – eine perfekte Ergänzung zum neuen Fashion-Highlight.

Abschied von der Taille – A-Linie als Silhouette

Oben figurnah und schmal, unten weit – die A-Linie eroberte die Modeherzen. Während in den 50er Jahren noch die Taille betont wurde, zeigte sich der neue Cut in androgyner Form: Kleider oder Mäntel werden von der Brustlinie abwärts ohne Unterbrechung immer weiter. Aber auch Oberteile und Jacken kamen in dem neuen Schnitt und Tops erhielten ausgestellte Ärmel.

Ikonische Muster und bunte Farben

Retro-Muster und Farben à la 60ies tragen und lieben wir heute noch. Grafische oder psychedelische Prints fanden sich genauso häufig wie unifarbene Modelle in leuchtenden Farben oder gedeckten Tönen. Pop-Art und Op-Art zeigten sich kunstvoll auf Kleidern, Jacken und Mänteln. Wer es etwas ruhiger wollte, entschied sich für schlichte Karo– und Hahnentritt-Muster in dezenten Tönen. Mit Beginn der Flower-Power-Zeit 1968 kamen ausladende Blumen– oder Ethno-Prints auf fließenden Maxikleidern und bodenlangen Röcken hinzu.

Crochet-Kleider

Auch gehäkelte Dresses waren in den 60er Jahren angesagt. Favorisiertes Modell? Weiß. Die figurbetonten Minikleider im großzügigen Loch-Design wurden mit flachen Sandalen oder Plateaus getragen.


Love & Peace & Individualism – Hippie-Looks

In den 60ies existierten mehrere Strömungen nebeneinander – alle mit dem Ziel gegen die gesellschaftlichen Konventionen und die Rollenklischees der 50er Jahre aufzustehen. Neben Minis, Anzügen und Hotpants wählten Frauen Schlaghosen und machten die Jeans zum All-Time-Favorite. Bald wurden auch Bikinis, Röcke, Kleider, Jacken und Shorts aus dem Blue Jeans-Stoff hergestellt. Die Hippies, unkonventionell und individuell, fielen durch Looks auf, die schon auf den ersten Blick »Freiheit« symbolisieren: fließende Batikkleider, plakative florale Designs, Jeans mit Blumenapplikationen und Stickereien, Tuniken und weite Schlaghosen wurden barfuß getragen oder mit Clogs oder Sandalen kombiniert. Überdimensionierte Sonnenbrillen mit bunten Gläsern und viel detailreicher Schmuck gehörten zum guten Ton – Schlapphut inklusive.

Wusstest  du…

… dass sich Yves Saint Laurent 1960 von den Beatles inspirieren ließ? In seiner »Beat-Kollektion« nahm er den Stil der »Pilzköpfe« auf und kreierte durchweg schwarze Pieces mit Leder und Pelz.

… dass es eine weitere Jugendbewegung gab? Die »Mods« waren junge Radikale der Lower Middleclass  in England. Sie fielen Anfang der 60er durch ihre dandyhafte Looks mit Jackett oder Parka, enge Hüfthosen und Fred Perry-Poloshirts auf.

 

Style deinen 60er Jahre Retro-Look – Die Dos & Don`ts auf einen Blick

Dos

  • – Minirock
  • – Vinyl
  • – Mary Jane’s
  • – Statement-Kopftuch à la Jack Kennedy
  • – A-Linie
  • – Plateau-Stiefel
  • – Kräftige Farben
  • – Klare Linien
  • – Retro-Muster
  • – Party-Pailletten
  • – Flower-Power-Dresses
  • – Schlaghosen
  • – Jeans-Westen
  • – DIY-Ketten
  • – Festival-Styles

 

Don’ts

  • – Etuikleider
  • – Kostüme
  • – Knielänge
  • – Petticoats
  • – Ausladendes Dekolleté
  • – Pumps
  • – Leggings
  • – Sneakers
  • – Jumpsuits
  • – Athleisure
  • – Faltenröcke
  • – Kitten Heels
  • – Strickjacken
  • – UGG-Boots, Ankle Boots
  • – Oversized Looks
  • – Tanktops

Ich bin mir ziemlich sicher: Jede von uns hat irgendetwas im Schrank, das von den 60ies inspiriert wurde. Für mich jedenfalls ist das die spannendste Fashion-Ära überhaupt. Wie siehst du das?

 

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Meine Liebe zu Mode und Kommunikation hat mich zu Ana Alcazar gebracht – als Texterin & Konzepterin in der klassischen Werbung groß geworden, schreibe ich seit fast 10 Jahren für unser Münchner Designerlabel. Im Redaktionsteam bin ich für alle Corporate-Themen zuständig, außerdem befasse ich mich hier mit aktuellen Trends & meinem Herzensthema Gleichberechtigung,

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