Apr 21, 2023

Time of My Life! Die selbstbewusste Mode der 80er Jahre. Eine Retrospektive.

»Keine Atempause, Geschichte wird gemacht«, so klang es verheißend in einem der zahlreichen Neue-deutsche-Welle-Hits. Und ja, es ist viel passiert in diesem Jahrzehnt: 1983 erobern Punks die Straßen und Aerobic die Sportstudios. Im Fernsehen begeistern Dallas und Denver Clan, für Spiele-Fans wird Rubiks Zauberwürfel zum Must-have. 1984 stellt Steve Jobs den ersten Macintosh vor, 1985 gewinnt Boris Becker überraschend in Wimbledon. Der Mauerfall als historischer Einschnitt liegt bei den Montagsdemos 1989 bereits spürbar in der Luft. Dazwischen schockiert eine neue Krankheit namens »Aids« die Welt, der Golfkrieg beginnt, die Grünen ziehen in die Parlamente ein und in Tschernobyl kommt es zum »Super-Gau«. Bundesweit protestieren Massen gegen die atomare Aufrüstung. Die sog. »Neue deutsche Welle« stürmt die Hitparaden genauso wie Madonna, Michael Jackson, Cindy Lauper und Depeche Mode. Und das ist längst nicht alles…

 

Will man den Zeitgeist der 80er beschreiben, reicht ein Begrifft nicht aus: bewegt, beunruhigend und trotzdem voller Zukunftsglaube, Optimismus und überbordender Lebensfreude. Das dominierende Lebensgefühl war – trotz allem –, dass die Welt berechenbar ist und gestaltet werden kann. Auf Basis dieser Haltung und durch den unaufhaltsamen wirtschaftlichen Aufschwung entwickelte vor allem die junge Generation einen starken Erfolgsdrang. Man wollte etwas werden und auch zeigen, was man erreicht hat. Die 80er Jahre sind ohne Zweifel ein atemberaubendes Jahrzehnt voller Vielfalt und unterschiedlicher Strömungen – konträr, extrovertiert und kultig. Dies zeigte sich besonders in den Jugend-Kults, die, so gegensätzlich sie sind, nebeneinander bestanden, so dass alle ihre individuelle Zugehörigkeit fanden: Popper, Öko-Punks, Mod, New Waver, Gruftis oder Yuppies.


80er Jahre Mode: Turn up the Volume – überzeichnete Silhouetten, Maximalismus & Farben

Auch modisch sind die 80ies ein stilprägendes Jahrzehnt, das seither regelmäßig in den großen Kollektionen zitiert wird. Kein Wunder, denn in der zuversichtlichen und selbstbewussten Dekade war Vielfalt Programm und es bildeten sich neue Fashion-Trends und Strömungen – von Punk über Preppy bis Hip Hop – heraus. Die 80er-Jahre-Mode war vor allem eines: Ausdruck des eigenen Lebensstils. Aber auch Filme wie Dallas, Denver oder Magnum und Miami Vice, Fernsehen und besonders die Musikszene beeinflussten die Menschen und ihre Art, sich zu kleiden. Besonders zwischen Mode- und Musikszene fand eine ständige Wechselwirkung statt. Designer:innen und Musiker:innen inspirierten sich gegenseitig. So entwickelte sich zum Beispiel die modische Punk-Welle. Im Vergleich mit den 70ies definierten sich die 80er über Silhouetten und Schnitte.

Die 80er Kleidung war bold, kantig und laut: Power-Dressing lautetet die Devise. Frauen signalisierten mit ihren markanten Looks, dass sie im Business mit den Männern längst mithalten können. Breite maskuline Formen und maximale Statements dominierten die Outfits und die Laufstege. Es war auch die Dekade der Supermodels, der sog. Big Five: Cindy Crawford, Claudia Schiffer, Linda Evangelista, Tatjana Patitz und Naomi Campbell. Ganz neue Looks und Codes entstanden. Bestes Beispiel sind die Yuppies, die Young Urban Professionals mit ihren Anzügen und Kostümen mit Schulterpolstern. In dieser freigeistigen Zeit weichten auch Geschlechterrollen auf und Künstler wie Boy George zelebrierten dies. Modische Überraschungen waren erwünscht, es gab unheimlich viel Freiheit für kreative Styles – die Grenzen zwischen geschlechtsspezifischer Kleidung und auch zwischen verschiedenen Trend-Strömungen waren extrem durchlässig.


Fitnesswelle, Körperkult und knöchelhohe Turnschuhe

Flashdance, Footlose oder Dirty Dancing – nicht nur Tanzfilme hatte Konjunktur, sondern auch Fitness-Videos zum Mitmachen. Ein regelrechter Körperkult brach sich Bahn, der sich in einer Bodybuilding und Aerobic-Welle ausdrückte. Die 80er-Jahre-Mode griff das auf – Neonfarben, Aerobic-Anzüge, Leggings, Sweatshirts samt Haar- und Schweißbändern sowie Stulpen hielten Einzug in die Alltags-Outfits aller Fashionistas und wurden zum Urmodell des Athleisure. Knöchelhohe Turnschuhe waren der Renner und wurden zu Röcken, Kostümen und Hosen kombiniert.

 

 

Runway-Kollektionen & individuelles Erfolgs-Branding

Madonnas Song »Express Yourself« brachte die Stimmung der Zeit auf den Punkt. Auf der Blond Ambition Tour trug sie Jean Paul Gaultiers Kegel-BH, der in seiner Herbst-Schau 1984/85 auf dem Pariser Laufsteg präsentiert wurde – nicht mehr und nicht weniger als ein Symbol für sexuelle Befreiung. Mode war in den 80ies mehr denn je ein Mittel, um Haltungen und vor allem sich selbst zur Schau zu tragen. Kein Wunder also, dass man Marken und Labels liebte und damit auch klar zeigte, wer man selbst ist! Das galt für Kollektionsteile großer Designer:innen wie Karl Lagerfeld, Vivienne Westwood, Calvin Klein, Hugo Boss, Thierry Mugler oder Giorgio Armani als auch für Consumer Marken wie Nike, Esprit oder Benetton. Wer seinen Erfolg und seinen Wohlstand ausdrücken wollte, setzte auf Branding durch Markenkleidung. Understatement war in den 80ern keine Option!

 

Weibliches 80ies Schönheitsideal: V-förmige Silhouette mit breiter Schulterpartie und schmaler Taille – geformt durch Oversized-Blazer inklusive Schulterpolster, Tops mit Puffärmeln und breite Taillengürtel

 

Mode der Extreme – stilprägende 80ies Features

► Schulterpolster

Power-Shoulders – also die dominante Schulterpartie – gelten noch heute als signifikantes 80ies-Statement. So, als wollte auch die Mode dem Alltag mit breitschultrigem Selbstbewusstsein begegnen. Selbstdarstellung gehörte zum guten Ton. Positiver optischer Nebeneffekt: Da Schulterposter bei Blusen, Kleidern und Blazer den Fokus auf die obere Körperhälfte legen, lassen sie automatisch die Taille schlanker wirken.

 

► Jeans-Looks

Am besten von Kopf bis Fuß – Denim gehört zu jedem 80er-Style. Stretch-Jeans oder karottenförmige Jeans gab es in allen Waschungen von Stone-washed über Moon-washed bis hin zu Acid-washed. Aber Vorsicht: Neu aussehende Jeans waren als »spießig« verpönt, deswegen wurden Jeans von den Herstellern mit allen möglichen Alltagsspuren, beispielsweise durch Knittern, Bleichen oder Risse versehen.

 

► Neon-Farben

Das Aerobic- und Fitness-Fieber machte Neonfarben in den 80ies zum Hit. Asymmetrische Sweater, T-Shirts und viele Accessoires wie Stirnbänder oder Stulpen sowie Leggings oder Strumpfhosen kamen in Neongelb, Neongrün oder Neonpink. Aber auch Allover-Looks aus Jacke und Minirock über Tops in Kontrastfarben wurden in Knallfarben gestylt. Das Statement hinter der Leucht- und Anziehungskraft der auffälligen Colours war klar: »Schau, hier bin ich!«

 

► Karottenhose

Stretch-Jeans, Karottenhosen und Bundfaltenhosen waren in den 80ies beliebt. Fashionistas trugen Karottenhosen aus Stoff, Lack oder Jeans. Das zum Knöchel hin schmal zulaufende verkürzte Modell hatte meist einen hoch angesetzten, figurnahen Bund. Kombiniert wurden sie mit Sweatshirts, Blusen oder Hemden mit weiten Ärmeln oder Print-Pullis. Mit breiten Stretchgürteln über den weiten Teilen betonten die Frauen die Körpermitte.

 

► Blazer & Sakkos im Oversized Look

Der beste Teampartner zur Karottenhose war der überdimensionierte Blazer. So stylte man den berühmten Yuppie-Business-Look der Zeit. Aber auch extrem kurze Miniröcke oder Radlerhosen wurden mit dem Oversized-Modell mit Schulterpostern getragen.

 

► Statement-Ärmel

Die Silhouette der 80er Jahre hatte breite Schultern und voluminöse Ärmel – Keulenärmel symbolisierten Stärke und zeigten, dass Frauen ab jetzt immer erfolgreicher im Business mitmischten.

► Minis

Kleider und Röcke in Mikrolängen waren im Team mit farbigen Strumpfhosen auf den Partymeilen en vogue. In den 80ern feierten Fashionistas in knappen, schulterfreien Bustier-Kleidern oder Korsetts – kombiniert mit langen, weiten Jeansjacken.

► Metallic, Lurex und Prints

Mehr ist mehr – schon das ungeschriebene Motto der Zeit legt nahe, dass es auch funkeln und schillern durfte. Je auffälliger, desto besser. Genau das richtige Umfeld für Pailletten, Metallic und Lurex sowie geometrische Muster, Animal-Prints, Polka Dots und plakative Farben, die vor allem ab Mitte der 80er gern gesehen waren.

 

► Hip Hop & Punk

Vielfalt war die Norm und so ist es nicht verwunderlich, dass unterschiedliche Stile nebeneinander existierten: Neben dem sog. Power-Look schufen Bands wie die  Beastie Boys einen weiteren typischen 80ies Style, den Hip Hop-Look mit Baseball Cap, Mützen des Labels Kangol, adidas Trainingsanzügen und Basketball Sneakers. Das war aber nicht alles. Inspiriert von Vivienne Westwoods Pirate-Show 1981/82 mit ihren bekannt humorvollen Silhouetten entstand der Punk-Style, der sich in der Musikszene besonders wohlfühlte: Duran Duran warteten mit Brokatjacken, schnallenbesetzten Stiefeln und Eyeliner auf. Madonna mit Tüll, Layering und feminin betontem Dekolleté plus Lederjacke.

 

► Accessoires

Ohne Accessoires ging in der Dekade nichts – breite Taillengürtel, oft aus Stretch, mit Häkchen-Verschluss, Bauchtaschen und punkige Details wie Nieten, Schnallen und Ketten standen hoch im Kurs. Genauso wie Stirnbänder, Stulpen und neonfarbige Schnürsenkel, die ihren Weg aus der Fitness-Bewegung in die Alltags-Outfits gefunden hatten. Madonna und Cyndi Lauper machten mit ihren Bühnen-Looks mehrschichtige Tüll- und Zipfelröcke, Mieder sowie lange Spitzenhandschuhe zum Must-have. Knöchelhohe Turnschuhe oder grobe Boots waren allgegenwärtig.

 

► Hair & Make-up-Style

Als Ergebnis der Fitness-Welle war es in den 80er Jahren cool, gebräunt zu sein. Solarien hatten Hochsaison – ein Trend, den heute niemand mehr mitmachen würde. Was den Hair-Style anbelangt, war der »Vokuhila« (vorne kurz, hinten lang) besonders beliebt. Andere blondierten sich das Haar oder trugen Dauerwelle. Mit viel Haarspray wurde toupiert, aufgetürmt und geföhnt. Und für Make-up galt ganz klar: Farbe! Wenn du dich à la 80ies stylen willst, sind für Kajalstift und Wimperntusche plakative Töne, wie Türkis und Blau angesagt. Greller Lidschatten, viel Rouge und roter Lippenstift stehen im Vordergrund.

Looks kombinieren – so geht’s:

Bei der 80er Jahre Mode war erlaubt, was gefällt. Um ein Outfit zusammenzustellen, wurde oft wild gemischt: Leder wurde mit Spitze ergänzt, Sneakers zu Kostümen getragen und Dessous zu Jeans kombiniert. Es ging darum, etwas Neues zu finden, etwas auszuprobieren – Outfits zu schaffen, die es in der Zusammenstellung noch nicht gegeben hatte. Neonfarbige Stirnbänder und Stulpen wurden im Alltag ausgeführt, das alles neben Punk- und Oversized Looks sowie den allgegenwärtigen Schulterpolstern. Das T-Shirt wurde auch im Business salonfähig.

 

So gelingt dein 80er- Look – Die Dos & Don’ts auf einen Blick

Dos

  • – Markante Silhouetten
  • – Schulterpolster
  • – Karottenhose
  • – Stone-washed Jeans
  • – Statement-Ärmel
  • – Neon-Farben
  • – Polka Dots
  • – Knöchelhohe Turnschuhe
  • – Stretch-Gürtel, Tüllrock & Stulpen
  • – Ray Ban-Sonnenbrille
  • – Sport Walkman
  • – Vokuhila
  • – Modemut und Kreativität

 

Don’ts

  • – Fließende Silhouetten
  • – Flower Power-Prints
  • – Marlenehosen
  • – Midi-, Maxikleider
  • – Sorbet-Töne
  • – Millefleurs
  • – Schnittkleider
  • – Klassische Looks
  • – Natürliches Make-up
  • – Modisches Understatement
  • – Strohhüte
  • – Pelze – sie standen wie heute für Rücksichtslosigkeit
  • – Auf Bewährtes vertrauen

Von Statement-Anzügen über Knallfarben und Gym-Fashion bis hin zu Power-Schultern – was ist dein 80ies-Revival-Liebling? Lass es mich wissen!

 


Teaserfoto via Wikipedia / Infobae gemeinfrei

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Meine Liebe zu Mode und Kommunikation hat mich zu Ana Alcazar gebracht – als Texterin & Konzepterin in der klassischen Werbung groß geworden, schreibe ich seit fast 10 Jahren für unser Münchner Designerlabel. Im Redaktionsteam bin ich für alle Corporate-Themen zuständig, außerdem befasse ich mich hier mit aktuellen Trends & meinem Herzensthema Gleichberechtigung,

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