Jan 23, 2023

70er Jahre Mode – Schrill, bunt & politisch. Eine Retrospektive.

Die 70er Jahre waren vor allem eines: politisch. Bundeskanzler Willy Brandt’s Kniefall vor dem Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Warschau wurde zum Symbol. Die Frauenbewegung – darunter auch Prominente wie Romy Schneider oder Senta Berger – protestierte in einer groß angelegten »Wir haben abgetrieben«-Kampagne gegen den §218. Mit Plakaten wie »Mein Bauch gehört mir« forderten Frauen legale Abtreibung, die Streichung des Paragrafen 218 sowie die Selbstbestimmung über den eigenen Körper. 1973 hielt die Ölkrise das Land in Atem. Die Umwelt- und Anti-Atomkraftbewegung machte mit zahlreichen Aktionen auf sich aufmerksam. Proteste wider den Vietnamkrieg, Pazifismus und sexuelle Freiheit – diese starken und vielfältigen Motive und Strömungen gingen auch an der 70er Jahre Mode nicht vorbei. Die Hippies prangerten gesellschaftliche Missstände an und grenzten sich mit ihrem Style von der Elterngeneration ab. Das Motto in der Mode lautete: Vielfalt. Mit den ganz unterschiedlichen Outfits wollte man ein Statement setzen. Superkurze Röcke und Plateauschuhe standen Pate für die sexuelle Emanzipation – die Frauen zeigten sich selbstbewusst und selbstbestimmt.

 »Make love – not war« – Die wilde Mode der 70er Jahre

Passend zum Zeitgeist existierten auch in der Mode kaum Grenzen: Die 70ies – das sind bunte Maxikleider mit fließenden Schnitten, verspielte Tuniken und Flower-Power Designs im Team mit gehäkelten Jacken und großen Sonnenbrillen. Gleichheit, Zusammenhalt und freie Liebe – die Blumenkinder zeigten ihre Haltung auch durch ihre Kleidung: Den sog. Boho-Style kennen wir alle, er ist und bleibt jede Saison präsent und hat einen festen Platz in vielen Kollektionen.

Daneben gab es weitere Strömungen, die genauso en vogue waren. Während die Haare länger wurden, wurden die Röcke kürzer. Eine Schlaghose aus Jeans oder Cord kombiniert mit Schluppenbluse und Pullunder war ein beliebter Office-Look. Je weiter der Schlag war, desto war cooler die Hose. – am besten mit Kellerfalte.

Im Zuge der Disco-Ära nach dem Vietnamkrieg in der zweiten Hälfte der 70er Jahre traten Pailletten und schimmernde Materialien wie Lurex ihren Siegeszug an – der Seventies Modernism war geboren. Auffallen war jetzt das Gebot der Stunde. Outfits schillerten metallisch und wurden mit Pailletten und Fransen versehen. 1974 wurde Cher mit ihrem transparenten mit Ziersteinen besetzten Kleid zur Stilikone. Sie trug es auf der Met Gala und prägte damit den Begriff »Naked Dress«.

Mode – das war vor allem Freiheit: Alle konnten anziehen, was sie wollten. So gab es auch keine strikte Trennung zwischen Männer- und Frauenkleidung. Männer trugen genauso wie Frauen Schlaghosen oder enge Oberteile in plakativen Prints. Alles in allem spielte die Mode eine wichtige Rolle dabei, dass Frauen als gleichberechtigt angesehen wurden. Im Zuge dieser Bewegung verzichteten in den späteren 70ies viele Frauen auf Kleider und entschieden sich für Jumpsuits. Während die ursprünglichen Einteiler sehr maskulin waren, wurden die Linien im Laufe des Jahrzehnts femininer und figurnah. Die Vorliebe für ausgefallene Designs und Muster war in den 70er Jahren sehr ausgeprägt. Farbe war überall. Individualismus wurde großgeschrieben. Viele Männer und Frauen liebten helle, bunte Schlaghosen. Neben den gedeckten warmen Tönen, war auch Neon im Trend.


Ikonische Mode-Key-Pieces der 70er Jahre

► Hot Pant: Sie wurde 1971 als Symbol der Selbstbestimmung geboren und schockierte mit ihrer Kürze die ältere Generation.

► Schluppenbluse: Im Vergleich zur Flared Pant kommt die hochgeschlossene Bluse mit Schleife (Schluppe) aus Seidengemisch beinahe bieder daher. Meist mit ikonischen Mustern versehen, war sie die ideale Kombipartnerin zu hochge-schnittenen Jeans oder Cordhosen mit Schlag.

► Neckholder-Top: Mit gekreuzten Trägern und im Team mit einer Schlaghose der Alltags-Look der 70s-Girls.

► Flared Pant: Die sog. Schlaghose trägt ihren Namen wegen des ab dem Knie nach unten trichterförmig zulaufenden Hosenbeines. »Flared« bedeutet so viel wie »ausgestellt«. Mit Clogs, Chelsea-Stiefeln oder Plateaus kombiniert, waren die Hosen im Team mit bunt gemusterten Oberteilen DER Style für Männer und Frauen. Jane Birkin verhalf der Flared Jeans zu Bekanntheit.

► Rollis: Genauso angesagt waren hautenge Rollkragenpullover in typischen Retro-Tönen wie Orange, Braun, Senfgelb oder Olivgrün.

► Leder-/Wildlederjacken: Die ideale Ergänzung zu jedem Outfit.

► Häkel-Looks: Dies konnten sowohl Häkeltaschen als auch Oberteile oder die freizügigen Kleider sein. Je farbenfroher, desto besser!

► Maxikleider: Weitschwingende Maxiröcke und -Kleider im Boho-Stil als Ausdruck einer freiheitlichen Lebenseinstellung waren das Markenzeichen der Hippies. Mit Batik-, Paisley- oder Blumenprint versehen standen sie für Bewegungsfreiheit – in jeder Hinsicht.

► Wildlederwesten mit Fransen: Details matter – kurze Westen, Jacken, Shirts oder Taschen waren mit schwingenden Fransen verziert.

► Glitzer, Pailletten & Satin: Minikleider, enge Catsuits und schimmernde Jumpsuits waren in der Disco-Ära heißbegehrte Must-haves.

► Plateauschuhe und Clogs: Einmal hoch hinauf, bitte: Vielleicht das prägnanteste Markenzeichen der 70ies – Plateaus verleihen den Looks die entsprechende Größe. Aber auch Clogs waren beliebt – mit den Holzschuhen konnten die Trägerin nicht überhört werden kann.

 

Das Styling der 70er – je ausgefallener, desto besser

Hair & Make-up boten – genau wie die Mode selbst – alle Möglichkeiten. Natürlich fallende voluminöse Locken mit Blumenkranz oder Haarbändern waren genauso hip wie Pferdeschwänze oder stark gelocktes Haar sowie jegliche Art von schriller Frisur. Das Make-up war im Alltag natürlich, am Abend wurde ein Lidstrich gezogen und die Augen zusätzlich mit buntem Lidschatten betont. Später in der Disco-Ära liebten alle Glitzer – auch auf den Wangen – oder schminkten das Gesicht mit kreativen Farbflächen. Übergroße Accessoires in hoher Zahl waren ein Muss. Nicht zu vergessen: die Sonnenbrille.

 

Style deinen 70er Jahre Retro-Look – Die Dos & Don`ts auf einen Blick

Dos

  • – Schlaghosen mit Kellerfalte
  • – Bestickte Jeans
  • – Flower Power, Ethno- und Boho-Outfits
  • – Häkelkleider
  • – Ponchos
  • – Durchsichtige Bindeblusen
  • – Evergreen: Jumpsuit
  • – Metallic-Pieces
  • – Layering
  • – Mix & Match: Seide, Chiffon, Strick und Leder im Mix
  • – Runden Sonnenbrillen à la John-Lennon-Style
  • – Creolen, lange Ketten mit Anhänger wie Buddha- und Peace-Zeichen, Armreife, Makramee-Armbänder und lange Ohrringe mit Federn
  • – Cowboy-Hut, Cowboy-Boots
  • – Schuhe mit hohem Plateau
  • – Übergroße Pilotbrillen

 

Don’ts

  • – Etuikleider, Kostüme
  • – Weiße Blusen
  • – Bleistiftröcke
  • – Motto-Shirts
  • – Trainingsjacken, Oversized-Sweatshirts
  • – Leggings
  • – Bundfaltenhosen, Slim Fit, Low Waist
  • – Lackröcke
  • – Trenchcoats
  • – Pariser Chic
  • – Understatement
  • – Monochrom-Looks
  • – Schulterpolster
  • – Sneakers, flache Schnürer, Ballerinas, Pumps
  • – Klassische Hüte

Der 70ies Style lässt uns modische Freiheit und kennt nicht nur einen Stil. Jede von uns hat einige 70ies-Pieces im Schrank, in denen wir uns im Sommer wohlfühlen. Welchen Print liebst du am meisten? Gibt es einen besonderen Style, den du magst? Poste gern in den Kommentaren.

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Meine Liebe zu Mode und Kommunikation hat mich zu Ana Alcazar gebracht – als Texterin & Konzepterin in der klassischen Werbung groß geworden, schreibe ich seit fast 10 Jahren für unser Münchner Designerlabel. Im Redaktionsteam bin ich für alle Corporate-Themen zuständig, außerdem befasse ich mich hier mit aktuellen Trends & meinem Herzensthema Gleichberechtigung,

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