Andere Länder, andere Dresscodes. Über ungeschriebene Fashion-Regeln.
Kleider machen Leute – das hat jeder von uns schon gehört und es ist auch viel dran: Je nachdem, welche Kleidung wir tragen, gehen Menschen unterschiedlich mit uns um. Ohne es zu beabsichtigen, sagen wir mit der Art, wie wir uns anziehen etwas aus. Unweigerlich. Denn Kleidung ist Kommunikation. Und die funktioniert weltweit anders – und dazu muss man nicht erst nach Afrika oder in die Arabische Welt blicken. Oft sind es Kleinigkeiten, die große Unterschiede machen. Besonders die ungeschriebenen Gesetze weichen, wenn man genauer hinsieht, stärker voneinander ab, als man denkt.
Bestes Beispiel: Im Bulgarischen Sofia kann ein Minirock im Business weiblich wirken und als angemessen empfunden werden. In Deutschland sowie in den meisten anderen Ländern hingegen wird nach wie vor der klassische Stil bevorzugt: Das meint im Job-Kontext mindestens knielange Röcke und auf keinen Fall schulterfrei. Leider wird zu feminine Kleidung in der Arbeitswelt häufig als unpassend wahrgenommen und direkt mit mangelnder Kompetenz verknüpft. Kein Wunder also, dass Frauen in unseren Breiten eher danach trachten, sich optisch an die Männer anzupassen und sich tendenziell unweiblich zu kleiden. Ich persönlich halte das für falsch. Aber Fakt ist, dass das Business so funktioniert.
Zurück zu anderen Ländern: Als Vorbild für seriöse Stilsicherheit gelten nach wie vor die Italiener – Männer wie Frauen. Vor allem die italienischen Männer achten mehr auf Details wie beispielsweise Schuhe als der Durchschnittsmann hierzulande.
Hamburg
München
Berlin
Allerdings ist es schwierig, zu sehr zu verallgemeinern. Denn schon innerhalb Deutschlands gibt es nicht wegzuleugnende Unterschiede: Denkt an München, Hamburg oder Düsseldorf im Vergleich zu Berlin. Die Hamburger zeigen, was sie haben – sie stylen sich mit sportlichen Westen, Designertaschen und hochwertigen Jeans. In München pflegt die Schickeria den extrovertierten Stil und in Berlin lebt man gepflegt das Credo „Alles geht“ mit Second-Hand-Experimenten und Retro-Klamotten. Trotzdem lassen sich – Land für Land – klare Tendenzen erkennen. Diese habe ich mir für euch einmal näher angeschaut.
Die feinen Unterschiede – die Looks im Ausland
Italien und Spanien
Lässig und bohemien: Mailand ist die Modemetropole – und sowohl in Italien als auch in Spanien hat Deutschland in Sachen Fashion keinen besonders guten Ruf. Denn bei den Outfits aller Südländer, die modemäßig etwas auf sich halten, stimmt jedes Detail. Das geht soweit, dass Business Anzüge aus der Vorsaison tabu sind. Alle sind extrem markenfixiert – gern getragen werden Armani, Brioni oder Boss. Labels und Namen haben einen hohen Stellenwert. Selbst im Job haben Accessoires einen hohen Stellenwert. Minimum: Mont Blanc-Niveau. Stil wird dabei an Kleinigkeiten gemessen.
Auch in der Freizeit ist gut sitzende Kleidung aus einfachen Stoffen das A und O. Klassische Farben wie Schwarz, Braun, Blau und Weiß sind klar favorisiert. Die Looks werden mit Accessoires gepimpt – Frauen greifen zu Schals und Designertaschen, Männer zu einem Fedora. Shorts sind – selbst in der Freizeit – im urbanen Raum nicht so häufig. Frauen tragen leicht verspielte, stilvolle Kleider aus guten Stoffen. Und im Gegensatz zum Rest der Welt rangieren schicke Lederschuhe immer noch vor Turnschuhen auf der Beliebtheitsskala.
Frankreich
In Frankreich ist eine schmale Passform Trumpf. Im Vergleich zum allgemeinen Trend sieht man bei den Pariser Streetstyles weniger Athleisure-Looks. Auch kurze Hosen, Flip Flops oder Oversize Looks werden kritischer wahrgenommen als beispielsweise in Deutschland. Es gibt sie – aber nicht so inflationär. Ein sicherer Tipp: Dezentes Make-up und ein Rock, der eine Handbreit über dem Knie endet.
Ähnlich wie in Italien greifen Frauen im Alltag häufiger zu klassischen Looks. Elegante Röcke oder Hosen werden mit einer edlen Bluse, einem Baumwoll-Top plus Strickjacke oder einer extrem wertigen Lederjacke kombiniert. Flache Schuhe sind Standard. Und: Der Trenchcoat ist besonders im Frühjahr und im Herbst nicht wegzudenken. Selbst abends punkten die Damen mit Understatement durch sehr hochwertige, edle Looks – dazu zählen enge oder figurnahe Kleider oft unifarben, veredelt mit sehr zierlichen, mittelhohen Heels.
Kein Wunder also, dass edle Materialien wie Leder, Wolle, Baumwolle, Leinen und Kaschmir hier Dauerbrenner sind. Qualität steht über allem. Männer lieben Poloshirts.
England
Kontrastreich und sophisticated – auch, wenn wir zuerst die hippen edgy Streetstyle-Looks von London im Kopf haben, ist Großbritannien insgesamt fashionmäßig sehr konservativ unterwegs. Die Looks von Herzogin Kate sind schon ein passender Seismograph für das, was als chic angesehen wird.
Klassische Farben, aber auch mal ein starkes Farb-Statement sind en vogue. Letzteres muss aber mit Fingerspitzengefühl und simplen Accessoires gemixt werden. Besonders hoch im Kurs bei gesellschaftlichen Anlässen steht das schwarze Cocktailkleid – nach wie vor. Für Männer gilt: konservativ und schlicht in Blau oder Grau. Für einen City-Trip in die englische Metropole sind ein klassischer Trenchcoat, coole Stiefeletten und eine bunte Auswahl an Oberteilen empfehlenswert.
USA – New York
Land der unbegrenzten Möglichkeiten – speziell New York ist mega-trendorientiert – ähnlich wie in Berlin mischen sich hier die Stile. Neben Tokio findet man bei den Streetstyles die größte Vielfalt an einzigartigen Outfits – multi-colored, monochrom, mit Leder im Mix oder mit asymmetrischen Schnitten. Tagsüber ist der Anspruch an ein Outfit vor allem, dass es stylish und bequem zugleich ist. So werden schwarze Gesamtlooks oft mit auffälligen Statement-Accessoires gepimpt.
Long-Blazer bilden die Basis eines legeren und doch eleganten Looks. Abends punktet man mit aufwändigen Looks: High Heels sind ein absolutes Muss. Und es gilt: Je ausgesuchter, ausgefallener und extrovertierter umso cooler. Männer kombinieren Hemden außergewöhnlich und individuell. Feel free.
Japan – Tokio
Wusstet ihr, dass in Japan Socken einen hohen Stellenwert haben – auch im Business? Das kommt daher, dass die wirklich großen Geschäfte bei einem Restaurantbesuch ausgehandelt werden. Und vor dem Betreten des Restaurants werden die Schuhe meistens ausgezogen. Davon abgesehen findet ihr – neben New York – kaum eine trendigere Metropole im Hinblick auf Farben und Accessoires. Denn die Japaner sind wahre Fashion-Pioniere und lieben das enthusiastisch-kreative Experiment.
Von klassisch über modern bis hin zu exzentrisch – alle Stilrichtungen sind vertreten: Enge oder weite Hosen, Print-Looks, ausgefallene, auffällige Accessoires, Rüschen, Volants, Raffungen und Spitzen fangen die Blicke. Oft sieht man bei Frauen Röcke oder Kleider, die über Hosen getragen werden. Alles in allem sind die Streetstyles extrem unkonventionell– oft von der Underground-Szene in Tokio beeinflusst und mit einer Vorliebe für grelle Neonfarben, knallige Haarfarben und auffälliges Make-up. Kurz: unverwechselbar.
Arabische Länder
In Sachen Dresscode geht es in den arabischen Staaten sehr streng zu – vor allem für Frauen. Auch als Gast aus Europa ist ein Kopftuch zumindest erwünscht. Mit einem schwarzen, langen Mantel seid ihr auf der sicheren Seite.
Insgesamt gilt: Nicht zu offen zeigen und Knie und Ellenbogen bedecken. Männer sind mit einem Anzug in Schwarz oder Dunkelgrau bestens beraten. Allerdings sollte dieser nicht zu eng anliegen und etwas Bewegungsfreiheit ermöglichen. Denn beim Essen sitzt man in arabischen Ländern häufig auf dem Boden.
Schweden
Modern und minimalistisch – der skandinavische Stil ist in aller Munde. Wir alle lieben den schlichten, stilvollen und klaren Look, der aus dem Norden kommt. Für Männer sind ein Polo-Shirt oder ein feines Hemd mit Strickjacke perfekt. Frauen wählen geradlinige und klare Pieces, die einen leicht sportlichen Touch haben können. Nicht zu bunt. Nicht zu wild.
Gut zu wissen: Um für kühlere Tage gerüstet zu sein, ist ein grobmaschiger XXL Strickpulli in Crème oder Marine immer eine gute Wahl. Für den Stadtbummel sind bequeme Turnschuhe ideal, während wir für abends sportliche, flache Stiefeletten favorisiert sind.
Russland
Mehr ist mehr – zuviel Bling-Bling wird außerhalb Osteuropas in der Regel schnell als geschmacklos wahrgenommen. In Russland hingegen lieben die Frauen aufwändige Details, glitzernde Applikationen, figurbetonte Kleider und tiefe Dekolletés.
Gepflegte und kunstvoll lackierte Nägel mit Strass-Steinen oder anderen Dekors sind Pflicht. Und auch High Heels sind quasi 24/7 an der Tagesordnung – gern aus glänzend lackiertem Material.
China
In China gelten – vor allem für Frauen – strenge Regeln: Halsausschnitt und Spaghetti-Träger sind absolute No-Go’s. Dazu passt, dass gedeckte Farben und hochgeschlossene Schnitte sehr häufig zu sehen sind. Für uns schwer zu verstehen: Offene oder hochhackige Schuhe werden als undamenhaft wahrgenommen. Flache Schuhe sind das Nonplusultra.
Ich muss euch ehrlich sagen, ich habe teilweise ganz schön gestaunt, wie unterschiedlich die Fashion-Standards in den unterschiedlichen Ländern sind. Was habt ihr im Ausland für Erfahrungen gemacht – bei Urlauben oder im Rahmen von Geschäftsterminen? Ich bin neugierig, was ihr zu berichten habt – gern in den Kommentaren.
Ein Kommentar
Warum soll überhaupt Minirock weiblich sein und knielange Röcke nicht. Seit wann tragen Männer knielange Röcke. Weil nicht dabei der KÖRPER selbst so Aufmerksamkeit zieht oder was?