Feb 24, 2022

Pink Tax – warum Frauen mehr bezahlen

Reicht es nicht schon, dass der Mann das »Maß aller Dinge« ist? Dass beim Fahrzeugbau, im öffentlichen Verkehr, in der Medizin, in der Architektur standardmäßig alles auf den männlichen Körper und seine Lebenswelt zugeschnitten wird? Der Mann als Norm also. Hinzu treten Diskriminierungen wie die »Gender Pay Gap«, die »Gläserne Decke«, unbezahlte Care-Arbeit mit dem bekanntlich gesteigerten Risiko für Altersarmut bei Frauen. Als ob das nicht genug an Ungleichbehandlung wäre. Schlussendlich gipfelt das Ganze darin, dass Frauen für ganz Alltägliches mehr bezahlen müssen als Männer. Richtig gelesen. Und zwar für exakt das gleiche oder zumindest gleichartige Leistungen sowie Produkte. Es gibt sie wirklich, die Preisdifferenzierung nach Geschlecht, auch bekannt unter den Schlagworten »Gender Pricing« oder »Pink Tax« (»rosa Steuer«). Was soll das eigentlich?

Pink Tax Beispiel: Rasierer

Ware – unisex. Preis – unfair!

Fangen wir mal mit dem Begriff an: »Pink Tax« ist die metaphorische Umschreibung dafür, dass eine geschlechtsspezifische Preisdifferenzierung (»Gender Pricing«) vorgenommen wird. Will heißen: Produkte für Frauen sind deutlich teurer – einfach nur, weil sie für Frauen produziert wurden und rosa statt blau verpackt werden. Der Inhalt ist quasi identisch. Das bedeutet konkret, dass Frauen für ganz gewöhnliche Drogerieartikel, aber auch für gleichwertige Kleidung sowie für Dienstleistungen wie zum Beispiel beim Friseur oder der Friseurin und in der Reinigung mehr bezahlen müssen als Männer. Übrigens gilt das auch für Gebrauchsgegenstände wie Laptop-Taschen und bei Spielzeug. Die Mädchen-Variante in Rosa kostet gleich mehr als die Blaue für Jungs – und ich diskutiere hier noch nicht einmal den (Un-)Sinn dieser farblichen Konditionierung von Kindesbeinen an, sondern ausschließlich den finanziellen Aspekt. Am gravierendsten aber ist der Preisunterschied bei Produkten des täglichen Bedarfs im Bereich Kosmetik und Körperpflege. 2019 veröffentlichte die Verbraucherzentrale Hamburg eine Studie, die keinen Zweifel daran lässt, dass Frauen im Vergleich zu Männern mehr auf den Tisch legen müssen. Ich habe hier mal einige der Ergebnisse aufgelistet, so dass du auf einen Blick sehen kannst, um wie viel unglaubliche Prozent Frauenprodukte teurer sind:

  • ► Isana Einwegrasierer von Rossmann: Frauenaufschlag 14%
  • ► Elkos Einwegrasierer von Edeka: Frauenaufschlag 25%
  • ► Isana Rasierschaum von Rossmann: Frauenaufschlag 109%
  • ► Balea Rasierschaum von dm: Frauenaufschlag 76%
  • ► Nivea Rasiergel: Frauenaufschlag 25%
  • ► Isana Rasiergel: Frauenaufschlag 24%
  • ► Balea Bodylotion von dm: Frauenaufschlag 8%
  • ► Eau de Toilette von bruno banani: Frauenaufschlag 25%
  • ► Eau de Toilette von MEXX: Frauenaufschlag 57%


Gender Pricing ist nicht sachlich begründbar

Teurer, nur weil der Einwegrasierer für Frauen pink oder rosa ist? Kann es also wahr sein, dass  identische Produkte und Dienstleistungen in zwei unterschiedliche Preiskategorien für Männer und Frauen unterteilt werden? Und das auch noch, wo Frauen im Schnitt – nachweislich auch für gleiche Arbeit – weniger verdienen? Ist das nicht eine klare Diskriminierung des weiblichen Geschlechts? Über das Phänomen »Gender Pricing« wird völlig zu Recht schon länger diskutiert.

Aber erstmals noch einen Schritt zurück: Was eigentlich bietet man den Frauen an? Männliche und weibliche Versionen von Produkten unterscheiden sich oft in Bezug auf das Branding oder das Verpackungs-Design – nicht hingegen bzgl. der Inhaltsstoffe. Auf den Punkt gebracht: Der farblich unterschiedliche Rasierer kostet 33% mehr. Aber dabei bleibt es nicht. Die Masche funktioniert quer durch alle Produktgruppen in Drogeriemärkten, wo sich im Schnitt Preisunterschiede von mehr als 20% feststellen lassen. Häufig werden diese, beispielsweise bei Duschgels oder Parfums durch unterschiedliche Designs, Flaschenformen und Füllmengen kaschiert und camoufliert – so dass sie nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Dabei sind Körperpflege- und Kosmetikprodukte wie Bodylotion, Nassrasierer, Nassrasiererklingen, Rasierschaum, Enthaarungscrème, Parfüm, Deo, Duschgel oder Körperpeeling nur die Spitze des Eisbergs. Dazu die Stiftung Warentest: »Warum ein baugleicher Rasierer, der sich nur in der Farbe unterscheidet, für Frauen deutlich mehr kosten soll, ist für uns nicht nachvollziehbar.«.

Das gleiche Phänomen findet sich auch bei Erwachsenen- und Kinderkleidung sowie bei Spielsachen oder Kinder-Fahrradhelmen (die rosa Variante ist teurer), bei Accessoires sowie beim Friseur oder der Friseurin und in der Textilreinigung. Welchen Grund sollte es geben, dass ein Kurzhaarschnitt für Frauen mehr kostet als ein cooler Schnitt für Männer bei gleicher Haarlänge? Hier ein Beispiel eines exemplarisch ausgewählten Münchner Salons: »Männer – Beratung, Waschen, Schneiden, Styling, 46 Euro« und »Frauen: Beratung, Waschen, Schneiden, Föhnen, 64 Euro«. Warum eigentlich? Wieso sollte es weiterhin mehr Mühe machen, eine Bluse zu bügeln als ein Hemd – worauf also fußen die höheren Preise in der Reinigung? Im Hinblick auf Textilien kann man zwar zugestehen, dass Schnitte für Frauen durch bspw. eine Taillierung beim T-Shirt häufiger mehr Stoffabfälle produzieren als die gerade geschnittenen Herren-Shirts – das rechtfertigt aber nicht den höheren Preis, zumal die Materialien gleich sind. Kurzum: Im Laufe des ganzen Lebens einer Frau werden die finanziellen Auswirkungen von Gender Pricing erheblich. Geschätzt zahlen Frauen Tausende an Euros mehr. Überleg dir mal, wie sich diese Beträge summieren. Frauen werden also gleich doppelt benachteiligt, denn sie verdienen im Schnitt weniger als Männer. Hält man sich dies vor Augen, wundert es mich, dass die Debatte nicht noch kontroverser und vor allem vehementer geführt wird. Aber wie kam es eigentlich zu dieser eigenwilligen Entwicklung? Warum sind Frauenprodukte ungerechtfertigt teurer? Wo liegt die Ursache für Gender Pricing?

Preisdiskriminierung als Ergebnis von klassischer Marktwirtschaft

Wenn man versucht, eine Antwort auf die Frage nach der geschlechtsspezifischen Preisgestaltung zu finden, wird man schnell fündig: Frauen sind bereit, für Gesundheit und Schönheit im weitesten Sinne mehr zu bezahlen. Man geht also davon aus, dass Frauen freiwillig mehr Geld in ihr Äußeres investieren als Männer. Und die Marktforschung bestätigt dies in wasserdichten Studien. Da gibt es nichts misszuverstehen. Mit einem Aufpreis für Frauenprodukte wird dieses Wissen um das weibliche Kaufverhalten schamlos ausgenutzt. Oder sollte ich besser sagen: Der Markt verlangt da höhere Preise, wo sie auch bezahlt werden. Stichwort: Angebot und Nachfrage – und regelt den Rest über clevere Verkaufspsychologie.

Nutzt die Wirtschaft also schamlos die Tatsache aus, dass schon kleinen Mädchen eingeimpft wird, wie wichtig ein möglichst perfektes, normkonformes, adrettes Aussehen ist? Das alte kulturelle Muster macht es möglich, dass einfach mehr verlangt wird, weil es verlangt werden kann. Daraus schließe ich, dass nicht in erster Linie eine Diskriminierung beabsichtigt ist – auch, wenn sie unstrittig das Ergebnis ist! Es geht also um Marktwirtschaft, um den Profit, darum, dass man eben mehr für ein Produkt kassieren kann und die Gewinne damit maximieren. In der Folge werden Name, Design und Packaging so konzipiert, dass Frauen besonders darauf ansprechen, während der Männerartikel identische Eigenschaften aufweist. Frauen gelten als – und sind wohl häufig auch – empfänglicher für Design, für ästhetische Formen und auch für einen gewissen Bling-Bling-Faktor. Den Rest erledigen dann Marketing und Vertrieb.

Nochmals: Körperpflegeprodukte für Frauen sind im Durchschnitt 13% teurer als für Männer, schlicht deswegen, weil man gesichert weiß, dass Frauen weniger preissensibel sind. Die Höhe des Gender Pricing ist in der Regel nicht zu rechtfertigen – selbst in dem Fall nicht, dass die Inhaltsstoffe wie beispielsweise Aromen in Parfums variieren. Letztere machen nur einen winzigen Teil der Herstellungskosten aus, die ja den Frauen in prozentual höherem Maß angelastet werden.

Bemerkenswert ist außerdem, dass die geschlechtsspezifischen Preisunterschiede bei Körperpflegeprodukten für Erwachsene am größten sind – also bei den Produkten, die für Verbraucherinnen allein schon wegen des Produktangebots auf dem Markt weitgehend unausweichlich sind.

Der Ausweg: Protestieren, bewusst Einkaufen und den Markt gestalten

Ich kann mich nicht daran erinnern, im Drogeriemarkt jemals die Preise zwischen Männer- und Frauenprodukten verglichen zu haben. Zumindest bis heute nicht – mit dem Ergebnis, dass mir persönlich die eklatante Preis-Gap in ihrer ganzen Dimension nicht bewusst war. Aber jetzt, genau jetzt, fange ich damit an. Beim nächsten Einkauf wähle ich gezielt Männerrasierklingen, entscheide mich für die Duschgels mit den herberen Düften und schaue mir die Produktpalette insgesamt genauer an. Wenn alle Frauen das tun – und auch das sind die Gesetze des Marktes – wird sich das Preisniveau für die ab dann liegengebliebenen Frauenprodukte bald senken. Auch gibt es schon einige Friseure & Friseurinnen, die Unisex-Preise einführen und die Preisliste nicht mehr nach Geschlecht differenzieren. Vorreiter ist hier Österreich, wo Beschwerden von Frauen bei der Friseur*innen-Innung der Anlass für die erfolgreiche Einführung von Unisex-Preisen in einigen Salons sind.

In New York ist man schon mehrere Schritte weiter: Jegliches Gender Pricing gilt offiziell als Form der Diskriminierung und ist gesetzlich verboten sowie mit einem ordentlichen Bußgeld belegt. Die gute Nachricht ist: Wir können etwas tun. Denn im Endeffekt bestimmt alleine die Nachfrage den Markt. Es geht in die richtige Richtung – und das ist erst der Anfang auf dem Weg zu fairen Preisen für alle Geschlechter!

War dir klar, wie groß der Preisunterschied für Frauenprodukte im Vergleich zu den männlichen Versionen tatsächlich ist? Hattest du das Thema auf dem Radar? Mir ist erst beim Recherchieren die wirkliche Dimension aufgegangen. Wie ging es dir? Teile gern deine Erfahrungen mit uns.

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Meine Liebe zu Mode und Kommunikation hat mich zu Ana Alcazar gebracht – als Texterin & Konzepterin in der klassischen Werbung groß geworden, schreibe ich seit fast 10 Jahren für unser Münchner Designerlabel. Im Redaktionsteam bin ich für alle Corporate-Themen zuständig, außerdem befasse ich mich hier mit aktuellen Trends & meinem Herzensthema Gleichberechtigung,

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