Jun 8, 2023

HeForShe & Male Allies

Gemeinsam etwas bewegen – weil es uns alle angeht

Große Ziele erreicht man am besten mit vereinten Kräften. Denn, wenn sich alle für eine Sache einsetzen, steigen die Erfolgschancen. Dann kann Veränderung gelingen. Was so selbstverständlich klingt, ist es aber bislang nicht. Zumindest dann nicht, wenn es um die Gleichstellung der Geschlechter geht. Frauen kämpfen seit Jahrhunderten für ihre Rechte und gegen Ungerechtes wie gläserne Decken, die Gender Pay Gap, die Rentenlücke sowie die ungleiche Verteilung der Care Arbeit und den damit einhergehenden Mental Load.

Lang wurde die Gleichstellung der Geschlechter als etwas behandelt, das primär Frauen betrifft. Der Begriff »Feminismus« oder die Aussage »Ich bin Feministin« hat leider für viele eine negative Konnotation und wird fälschlicherweise mit »Männerhass« in Verbindung gebracht. Es geht aber um etwas anderes – nämlich um gleiche Rechte und Chancen für alle – für Frauen, Männer und Diverse. Denn es ist nur fair, dass Frauen wie ihre männlichen Kollegen bezahlt werden. Es ist richtig, dass Frauen Entscheidungen über ihren Körper selbst treffen. Es ist wichtig, dass Männer wie Frauen in Führungsgremien sitzen. Gleichstellung zu verwirklichen, ist nicht nur Frauensache, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die flächendeckendes Engagement erfordert. Es braucht Konsens zwischen Frauen und Männern, um den Familienalltag fairer zu organisieren, Chancen anzugleichen oder Positionen gerechter zu verteilen. Und viele Männer sind fest davon überzeugt, dass Gleichstellung für alle Geschlechter Vorteile bringt.

»Why is it always women who have to break through the glass ceiling? Where are the men willing to throw boulders down through it? They are right here.«

Anne Hathaway, UN Women Global Goodwill Ambassador

Was ist He For She?

Die Solidaritätsbewegung HeForShe wurde 2014 von UN Women ins Leben gerufen. HeForShe ist eine Einladung an Männer und Menschen aller Geschlechter, sich mit Frauen zu solidarisieren und eine sichtbare und geeinte Initiative für geschlechtergerechte Welt zu bilden. Schauspielerin Emma Watson hielt als UN Women Sonderbotschafterin für HeForShe eine bewegende Eröffnungsrede im Hauptsitz der Vereinten Nationen (UN) in New York am 20. September 2014.

 

HeForShe bringt die eine Hälfte der Menschheit zur Unterstützung der anderen Hälfte der Menschheit zum Wohle aller zusammen. Zwei Grundgedanken formen den Kern:

1) Es ist nur fair, dass alle Menschen die gleichen Verwirklichungschancen haben.

2) Wir haben alle etwas davon, wenn wir wir selbst sein können, anstatt in ein starres Korsett von geschlechterspezifischen Erwartungen gezwängt zu werden.

 

Geschlechtergerechtigkeit ist auch ein Männerthema – kurz: ein Menschenthema

»HeForShe«, so sagte Emma Watson sinngemäß, »ist ein Plädoyer für die Freiheit.« Und zwar für Männer wie für Frauen und Menschen aller Geschlechter. Und ich sehe das auch so. Denn gleich aus mehreren Gründen ist Gender-Gerechtigkeit auch ein Männer-Thema. Auch Jungs und Männer sind Stereotypen ausgesetzt, also idealtypischen Männlichkeitsbildern. »Echte Männer weinen nicht.«, «Echte Männer kennen keine Schwäche und keinen Schmerz, sie haben alles immer im Griff.« Für die meisten Männer bedeutet das Streben nach diesem Idealbild von Männlichkeit einen enormen Druck. Andauernd stark, cool und souverän sein zu müssen, Dominanz zu zeigen und risikobereit zu sein, hat mit der ureigenen Wesensart vieler Männer oft wenig zu tun. Sich selbst zu beweisen und die eigene Maskulinität permanent betonen zu müssen, ist – wie zahlreiche Studien und Statistiken beweisen – nicht gesund. Das kann dazu führen, dass Männer nicht um Hilfe fragen oder Depressionen unerkannt und unbehandelt bleiben, weil die Angst zu groß ist, nicht mehr männlich genug zu sein. Wenn Männlichkeit toxisch wird, also ins Ungesunde kippt, entwickeln sich all die Verhaltensweisen, die in der #MeToo-Debatte zu Recht angeklagt werden. Übertriebene Männlichkeit hat immer das Bedürfnis, sich abzugrenzen; dies funktioniert häufig durch Abwertung des Weiblichen oder gegenüber homosexuellen Männern: Wie oft habe ich schon von kleinen Jungen Dinge gehört wie »sei doch kein Mädchen« oder »das ist ja schwul«. Sätze wie diese zeigen, wie tief verwurzelt im kollektiven Bewusstsein, destruktive Stereotype sind.

Es wird Zeit, dass Männer und Frauen gleichermaßen verletzlich und stark sein dürfen – einfach menschlich. Es wird Zeit, dass Frauen, die ehrgeizig sind und im Job für die gute Sache kämpfen, nicht als hysterisch oder aggressiv abgetan werden – wohingegen das gleiche Verhalten bei Männern als Durchsetzungsfähigkeit bewundert wird. Menschen sind vielfältiger als Rollenklischees. Rollenbilder verkennen die Lebenswirklichkeit und greifen immer zu kurz: Manche Männer sind die geborenen Väter, Gefühlsmenschen und der emotionale Halt für ihre Kinder. Sie wollen nicht der Platzhirsch sein, weil es ihrem Wesen fremd ist. Manche Frauen sind begnadete Führungskräfte, die ihre Aufgabe darin gefunden haben, Teams zu leiten und strategische Entscheidungen zu treffen. Und dann gibt es alle Nuancen dazwischen. Will heißen: Die patriarchale Weltordnung ist nur für einen Bruchteil der Männer positiv. Es braucht die Abkehr von Rollenbildern, besonders, wenn bei Paaren Kinder dazukommen, sollte es gängig sein, dass auch Männer in Elternzeit gehen und Frauen Vollzeit arbeiten.

Es ist also weit gefehlt, zu glauben, dass die Gleichstellung der Geschlechter ein Problem ist, das nur Frauen betrifft.  Das Thema geht alle Menschen an und zwar in sozialer, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht. Wir brauchen Lösungen, die erreichen, dass alle die gleichen Chancen bekommen. Das heißt konkret, dass Gleichstellung mehr ist als bloße Frauenförderung. Dass es vielmehr darum geht, sich Gedanken zu machen über Denkmuster, kollektive gewachsene Rollenbilder und -vorstellungen. Wir sollten uns von den mächtige Klischees verabschieden, die am Ende alle daran hindern, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen.

 

»I joined HeForShe to stand WITH and stand BY women. It is vital that we show solidarity, that we listen and that we learn.«Dr. Wayne A. I. Frederick, President of Howard University

 

Bewusstseinsbildung ist entscheidend, um Strukturen zu ändern

Um echte Gleichstellung zu erreichen, ist eine Veränderung an unserem System und seinen Strukturen unumgänglich. Kindererziehung, Bildung und Sozialisierung sind die ausschlaggebenden Kriterien. Denn die Verfügbarkeit und die Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen wirken sich auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus. Ehegattensplitting fördert fatalerweise die Tendenz, dass Frauen als Geringerverdienende (die direkte Folge der Gender Pay Gap) in Teilzeit gehen und damit wichtige Rentenpunkte verspielen – ein weiterer Treiber für Altersarmut von Frauen, die im Falle einer Trennung schlechter gestellt sind (Pension Pay Gap).

Damit Menschen sein können, wer sie zutiefst sind, ist es wichtig, Kinder und Jugendliche empathisch zu begleiten. Je weniger wirksam zugeschriebene Eigenschaften sind, desto stärker können sich Identität und Selbstbewusstsein im Wortsinn ausbilden – junge Menschen werden damit befähigt, das Leben zu führen, das ihnen gemäß ist und Rollenklischees verlieren an Bedeutung.

HeForShe setzt sich für diesen Freiheitsbegriff ein. Lasst uns zusammenstehen und Dinge neu denken und leben: Lasst uns das negative konnotierte Wort »Feminismus« positiv aufladen – lasst es uns als Freiheitsbewegung verstehen, die es allen Geschlechtern ermöglicht, patriarchale Denkmuster und tradierte Rollenbilder zu überwinden. Geschlechtergerechtigkeit ist kein »Kampf von Frauen für Frauen«, sondern bedeutet, Gesellschaft neu zu denken – im Hinblick auf Bildung, Politik, Beruf und Identität. Ich weiß aus eigener Erfahrung und vielen Gesprächen, dass viele Männer ein Interesse daran haben, Verantwortung zu übernehmen und etwas beizutragen, damit wir alle authentischer und unseren individuellen Talenten und Bedürfnissen gemäß leben können.

»There cannot be gender justice if men sit on the side-lines.«Winston Duke, Actor & HeForShe Advocate

 

Male Allyship: Männer als »Advocates for Change« – »Botschafter für Veränderung«

HeForShe lädt Männer dazu ein, sich gemeinsam mit Frauen für mehr Gerechtigkeit für alle einzusetzen. Männer können sich freiwillig als »Advocates for Change« engagieren – täglich, im Kleinen auf Ungerechtigkeiten aufmerksam machen und gemeinsam mit den Frauen Unternehmen aufbauen, Familien gründen und sich im Team für eine faire Welt einsetzen. Aber Vorsicht: Male Allyship (»Männliche Verbündete«) bedeutet sicher nicht, dass die Frauen von Männern errettet werden wollen. Vielmehr geht es darum, dass alle gemeinsam daran arbeiten, Strukturen und Denkmuster zum Wohle von Männern wie Frauen zu verändern. Mehr Fairness für alle durch gemeinsames Engagement.

Weil das alles sehr abstrakt klingt, arbeitet HeForShe aktiv daran, konkrete Hilfestellung zu geben. Denn viele Männer würden gern etwas tun, wissen aber nicht genau, was sie konkret im Alltag für eine gleichgestellte Gesellschaft tun können. Dazu wurde u. a. das HeForShe Journal veröffentlicht. Es ist nur zum privaten Gebrauch und soll helfen, den eigenen Denkweisen auf die Schliche zu kommen und das individuell verinnerlichte Bild von Männlichkeit zu analysieren. Das Journal arbeitet mit Fragen wie beispielsweise: »Wie wurde Care Arbeit in deiner Kindheit aufgeteilt und wie ist es heute bei dir?« oder »Männlichkeit ist für mich … (3 Wörter)«.

Male Allies erklären sich bereit, sich für mehr gesellschaftliche Fairness zu engagieren – sowohl im privaten Kontext als auch im Job. Denn es ist erwiesen, dass auch im unternehmerischen Kontext Gleichstellung und Diversität zu mehr Erfolg führen. In der Essenz bedeutet Male Allyship noch mehr als einzelne Frauen oder andere unterrepräsentierte Gruppen zu fördern. Letztlich geht es darum, die Rahmenbedingungen und damit Strukturen zu verändern. Themen wie verbesserte Kinderbetreuung, gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit und damit einhergehend die Rentenlücke bei Frauen müssen folgen – Veränderungen hier können nur bewirkt werden, wenn das gesamtgesellschaftliche Interesse daran groß genug ist. Kurz: als Folge eines umfassenden Bewusstseinswandel.

Alle Männer, die ein »Verbündeter für die Gleichstellung der Geschlechter« sein wollen, können tagtäglich aktiv daran mitwirken, Frauen bei der die Care-Arbeit zu entlasten und gleichberechtigten Zugang zu Karriere-Chancen zu verschaffen. Um ein Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern zu erreichen, müssen sich sowohl Frauen und insbesondere Männer dafür einsetzen. Hier sind ein paar einfache Möglichkeiten:

 

Tipps für Male Allies

► Familienalltag gemeinsam fair organisieren

Männer müssen vollwertige Partner bei der Kinderbetreuung und im Haushalt sein – dazu gehört auch, über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für beide Elternteile zu verhandeln und als Vater Elternzeit in Anspruch zu nehmen sowie bezahlter Urlaub für alle Betreuungspersonen.

 

► Chancen teilen

Männer können dazu beitragen, weiblichen Kolleginnen Zugang zu Podiumsdiskussionen auf beispielsweise Konferenzen zu verschaffen, die branchenübergreifend überproportional häufig von Männern besucht werden. Männer können hierfür eine geeignete weibliche Kollegin empfehlen und selbst zurücktreten. Diese Strategie des »pass up and pass on« ist eine wirksame Möglichkeit für Männer, etwas für die Vielfalt zu tun.

 

► Öffentlich Erfolge kommunizieren

Männer können dazu beitragen, die Chancen, dass die Arbeit von Frauen von den richtigen Leuten wahrgenommen wird, zu erhöhen. Informell und sehr pragmatisch: Männer, unabhängig davon, ob sie eine Führungsposition innehaben, können sich bemühen, die Leistungen von Frauen bei wichtigen Besprechungen oder in Gruppengesprächen zu würdigen. Und natürlich weibliche Führungskräfte unterstützen, an die sie glauben.

 

► Sich für Lohngleichheit einsetzen

Männer können sich für die Gleichstellung von Frauen am Arbeitsplatz und für Lohngleichheit einsetzen.

 

► Nicht förderungswürdige Arbeitslast übernehmen

Es ist statistisch erwiesen, dass die »Mühen der Ebene«, also arbeitsaufwendige Tätigkeiten, mit denen keine Lorbeeren zu gewinnen sind, in Unternehmen häufiger an Frauen delegiert werden. Fakt ist: Die Planung von Besprechungen und das Anfertigen von Besprechungsnotizen sind eine der häufigsten, aber am wenigsten sichtbaren Arten, wie sich geschlechtsspezifische Voreingenommenheit tagtäglich am Arbeitsplatz manifestiert. Eine Studie aus dem Jahr 2018 belegt, dass Frauen mit 48% höherer Wahrscheinlichkeit freiwillig Aufgaben übernehmen, »welche dem Unternehmen zugutekommen, aber wahrscheinlich nicht zur Leistungsbewertung und zum beruflichen Aufstieg beitragen.« Das führt in der Summe dazu, dass Frauen mit dem Kleinklein ausgelastet sind, währen Männer die Karriereleiter hochsteigen. Männer können hier etwas beitragen, indem sie freiwillig einen Teil der nicht förderungswürdigen Aufgaben übernehmen.

 

► Eine Frau sponsern

Wenn Männer dazu beitragen wollen, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, müssen sie eine aktive Rolle dabei übernehmen. Sie können sich dafür entscheiden, geeignete Frauen sichtbar zu machen und sie in bislang patriarchalisch besetzten Netzwerken zu platzieren. Eine geeignete Möglichkeit ist die Mitarbeit an hochrangigen, stark wahrnehmbaren Projekten.

 

► Frauen zuhören

Miteinander ins Gespräch kommen und im Gespräch bleiben, schafft Verständnis. Männer können mit Frauen über ihre Erfahrungen und Wahrnehmungen sprechen. Das kann in etwas so klingen: »Ich bin neugierig darüber, welche Dinge Frauen in unserem Unternehmen als größte Herausforderungen betrachten. Dinge, die mir als Mann vielleicht gar nicht auffallen.«

 

Take Action! Gute Absichten sind nicht genug

Als männlicher Botschafter für Veränderung braucht man etwas Mut. Es ist immer eine Herausforderung, gegen Gewohntes zu arbeiten oder auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen. Und damit Sichtbarkeit zu schaffen. Vielleicht befürchtet der ein oder andere auch, durch die Unterstützung von Frauen im beruflichen Kontext die eigenen Chancen zu verringern. Manche Gespräche können auch schwierig oder unbequem sein – wie beispielsweise ein Gespräch mit patriarchalisch geprägten Männern über Geschlechterfragen zu führen oder sich gegen sexistische Parolen auszusprechen. Wer als Male Ally etwas beitragen möchte, wird ab und zu mit Unbehagen leben müssen. Denn Botschafter erheben die Stimme, wenn sich Mitmenschen respektlos über andere äußern. Als Verbündeter geht es darum, Veränderungen herbeizuführen, nicht darum, es sich bequem zu machen. Denn es lohnt sich für uns alle. Im Male Allies Guide  finden Interessierte weitere Tipps und Erfahrungsberichte. Emma Watson sprach in einer weiteren Rede von einem »seismic shifts«, der in der Gesellschaft zu beobachten sei – und bedankte sich bei allen männlichen Botschaftern:

»(…) I genuinely feel that we are closer to a gender equal world than we were two years ago… And I know each and every ‘HeForShe’ has played a part in that, (…)«. – Ich habe wirklich das Gefühl, dass wir einer geschlechtergerechten Welt näher sind als noch vor zwei Jahren… Und ich weiß, dass jeder einzelne ‘HeForShe’ einen Teil dazu beigetragen hat.«

Dem ist nichts hinzuzufügen.

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Meine Liebe zu Mode und Kommunikation hat mich zu Ana Alcazar gebracht – als Texterin & Konzepterin in der klassischen Werbung groß geworden, schreibe ich seit fast 10 Jahren für unser Münchner Designerlabel. Im Redaktionsteam bin ich für alle Corporate-Themen zuständig, außerdem befasse ich mich hier mit aktuellen Trends & meinem Herzensthema Gleichberechtigung,

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