Rassismus und Mode. People of Colour in Fashion.
Das Unrecht des Mordes an George Floyd in den USA ist zum Symbol für den allgegenwärtigen strukturellen Rassismus geworden. Und zwar weltweit. Denn Diskriminierung und Ungleichbehandlung sind kein Problem, welches nur die Vereinigten Staaten betrifft – sie sind überall und institutionell. Es ist schlimm, dass wir im Jahr 2020 darüber reden müssen, dass Rassismus noch immer Menschen tötet. Der Fall von George Floyd, der jetzt richtigerweise Bewegungen wie #BlackLivesMatter in aller Munde bringt, ist kein Einzelfall, sondern der aktuelle Tiefpunkt sich immer wieder wiederholender rassistisch motivierter Polizeigewalt. Dass von allen Krisen Minoritäten und insbesondere Afro-Amerikaner besonders betroffen sind – das gilt für Arbeitslosenzahlen, für Infektionsraten und für die Todeszahlen in der Pandemie in den USA – ist eine traurige Tatsache.
Covid-19 verdeutlicht wie ein Brennglas die Missstände: Bildungschancen und der Zugang zu ökonomischen und sozialen Ressourcen sind ungleich verteilt. Jeder, der davon ausgeht, dass wir im Jahr 2020 eine gleiche Gesellschaft etabliert haben, irrt sich. Leider. Wenn beispielsweise in einem Zug die einzige Person of Colour von der Polizei nach dem Ausweis gefragt wird, dann ist das »Racial Profiling« und eine Form des strukturellen Rassismus. Ich glaube, dass wir dazu neigen, gern zu vergessen, dass versteckte oder offen geäußerte rassistische Ideologien tagtäglich eine Gefahr für alle nicht-Weißen Menschen sind. Die aktuelle Situation in den USA zeigt es eindrücklich. Der Chefredakteur der britischen Vogue Edward Enninful weiß, wovon er spricht: »Wenn ich morgens aus meiner Tür trete, bin ich mir immer der erhöhten persönlichen Gefahr bewusst, die von meiner Hautfarbe ausgeht.«
Mangel an Diversität in der Modebranche
Auch auf den Laufstegen, welche die (Mode-)Welt bedeuten, tummeln sich immer noch prozentual mehr weiße Models. Bereits vor mehr als 10 Jahren wurde für die São Paulo Fashion Week eine Quote eingeführt. Supermodel Iman äußerte sich 2013 anlässlich der Gründung der »Diversity Coalition«: »Die Abwesenheit von People of Colour auf den Laufstegen und in der Fotografie stärkt gerade in jungen Mädchen das Gefühl, dass sie nicht schön genug, nicht akzeptabel seien.« Dabei sollte doch eigentlich gerade die Modeindustrie die menschliche Vielfalt abbilden. Aber das System Mode und die entsprechende Marketingmaschinerie arbeiten häufig für weiße Zielgruppen. Die Titelseiten der Hochglanzmagazine und die Laufstege waren lange Zeit fast ausschließlich eine weiße Welt. Modekonzerne, Designer und Werbekunden buchten vor allem Models mit heller Haut. Luxusmarken gehören immer noch meistens weißen Personen, die Mehrheit der Top-Designer ist weiß. Letztere casten weiße Models für ihre Shows, um wiederum eine höhere Identifikation für die weiße Zielgruppe zu schaffen.
Schwarze Models brauchen viel Power, Courage und Durchhaltevermögen, um sich durchzusetzen. Sie sind häufig immer noch alltäglicher Diskriminierung ausgesetzt. Auch wir bei Ana Alcazar haben traurigerweise in der Vergangenheit negative Erfahrungen gemacht, wenn wir People of Colour als Protagonisten für unsere Shootings gebucht hatten. Wir haben hasserfüllte Mails von Menschen erhalten, welche sich mit dem Model nicht identifizieren möchten und uns dafür kritisieren. Glücklicherweise liebt die überwiegende Mehrzahl unserer Fans aber Ana Alcazar genau wegen unserer Vielfalt – nicht nur in den Kollektionen selbst sondern auch bei unserer Modelauswahl und in unserer kreativen Bildsprache.
Leider zeigt sich an solchen und ähnlichen negativen Beispielen, wie tief verwurzelt der Alltagsrassismus ist. Mehr zum Thema findet ihr auf Instagram unter wasihrnichtseht. Dieser Insta-Feed hat es sich zum Ziel gesetzt, mit den Posts die ganz alltäglichen Vorurteile und unterschwellig wirksamen Ideologien zu demaskieren und zu zeigen.
Eines darf man nicht vergessen: Mode hat die Chance, Veränderung, Gerechtigkeit und (Chancen-)-Gleichheit mitzugestalten. Warum? Weil Mode mehr als viele andere Branchen den Zeitgeist mitgestalten und dadurch Haltungen beeinflussen kann. Fashion ist immer auch ein Spiegel der Gesellschaft und kann positiven Wandel vorantreiben. Die gute Nachricht ist: In der Modewelt hat glücklicherweise schon in den vergangenen Jahren ein Umdenken zumindest begonnen. Hier wurden und werden immer mehr Stimmen für Diversität laut, auf die auch konkrete Handlungen folgen. Der Modeindustrie gelingt es zunehmend besser, die menschliche Vielfalt abzubilden. Ein Anfang ist gemacht, auch, wenn dieser Prozess noch lange nicht am Ende ist. Aber das Bewusstsein ist größer geworden und es ist etwas in Bewegung geraten. Entscheidend könnte sein, dass – in der Mode aber ebenso in allen anderen Branchen und Bereichen – schwarze Menschen genauso repräsentiert sind wie Weiße. Die Community der People of Colour selbst hat dazu einen Hashtag geprägt: #representationmatters, was soviel bedeutet wie Sichtbarkeit und Repräsentiert-Sein sind entscheidend. Schwarze Menschen sollten auf den Laufstegen, in führenden Positionen bei Labels, als Chef-Designer und in Redaktionen sehr viel stärker vertreten sein.
Sichtbarkeit ist wichtig. Black Fashion Models, Designer & Fotografen
Gern stelle ich euch heute einige talentierte schwarze Frauen und Männer vor, welche die Modewelt mit ihrem Engagement verändern und die sich ihren Weg nach oben erkämpft haben.
NAOMI CAMPBELL
Das berühmteste Beispiel zuerst: Neben Claudia Schiffer und Cindy Crawford gehört Naomi Campbell zu den sog. Supermodels der späten 1980er und 1990er Jahre. Naomi Campbell war die erste Schwarze auf dem Cover der französischen Vogue und prangerte im Laufe ihrer Karriere immer wieder den Rassismus in der Fashion-Branche an. So musste sie beispielsweise lange dafür kämpfen, dasselbe Gehalt wie ihre weißen Kolleginnen zu erhalten – für den gleichen Job! Heute wird die 50-Jährige immer noch ab und zu gebucht, engagiert sich mit ihrer Organisation »Charity for Relief« für wohltätige Zwecke und berät das Label Gucci. Als 15-Jährige war sie von einem Scout entdeckt worden. Sie äußerte Campbell am Rande einer Veranstaltung des British Fashion Council in London, dass die Branche insgesamt auf einem guten Weg sei: »Die ethnische Vielfalt in der Mode ist größer geworden in den vergangenen Jahren.« Aber das Ziel ist noch lange nicht erreicht.
ADESUWA AIGHEWI
»Ich war es leid, in einer weißen Welt Schwarz zu sein.«, sagt Adesuwa Aighewi über ihren Kampf gegen Rassismus in der Modebranche. Die Amerikanerin lief für Labels wie Dior, Fendi und Louis Vuitton und trat in Kampagnen für Tom Ford, Marc Jacobs und Chanel auf. 2019 hat sie den British Fashion Awards als »Model of the Year« gewonnen. Außerdem zählt sie zu den Top 50-Models von models.com. Geboren wurde das Model mit chinesischer, thailändischer und nigerianischer Abstammung in Amerika. Bis zu ihrem 13. Lebensjahr hat sie in Nigeria gelebt, danach zog ihre Familie in die USA. In einem Interview äußerte sie sich dazu, warum schwarze Models trotz ihrer oft atemberaubenden Schönheit immer noch auf den Laufstegen unterrepräsentiert sind: »Wenn die Leute sagen, dass es nicht genug schwarze Models auf den Laufstegen gibt, dann nicht, weil keine schönen schwarzen Models zur Verfügung stehen. Es liegt an der Nachfrage und dem Angebot. Beim Modeln geht es nicht um dich [als Individuum], beim Modeln geht es darum zu verkaufen, es geht um Marketing.«
INDYA MOORE
Indya Moore sammelt aktuell Spenden für transsexuelle People of Colour, die von der Corona-Krise besonders betroffen sind und gibt der LGBTQ2-Community eine Stimme. Außerdem kämpft die AktivistIn gegen Rassismus und Transphobie. Als erste Transgender-Person war sie auf der Titelseite der US-Magazins Elle zu sehen. Indya Moore modelte für Dior und Gucci und ist auch schauspielerisch in der Fernsehserie »Pose« tätig. Bei den Daily Front Row Awards in New York 2019 hielt die GewinnerIn eine bewegende Rede über die Angst als schwarzer Transgender: »(…) Trans people deserve safety, acknowledgement, and respect. Not just when we’re on the cover of magazines, but when we are in the streets, when we are poor, when we are sex workers. When our hair ‘aint laid. When we can’t afford Louis Vuitton. Or when we can’t get access to a hormone shot. And especially when we are dying.«
ADUT AKECH BIOR
Sie gilt als Shooting-Star der Modelszene: Adut Akech Bior. Ihr Runway-Debut gab das Model in der Show von Saint Laurent 2017 und wurde 2018 und 2019 von models.com zum »Model of the Year« gewählt. Auch war sie bereits auf mehreren internationalen Vogue-Covern zu sehen. Meghan Markle wählte als Co-Chefredakteurin Adut Akech Bior als eine von 15 Covergirls für die britische Vogue aus. Akech wurde im Sudan geboren und wuchs in einem Flüchtlingslager in Kenia auf, bevor sie mit ihrer Familie nach Australien zog. Das gefragte Model ist zugleich eine Botschafterin gegen Rassismus und Diskriminierung. Umso mehr schmerzte es sie, als sie für das australische Who Magazin ein Interview über diese gewichtigen Themen gab und feststellen musste, dass man in der Ausgabe ihr Bild verwechselt hatte: Neben einer Reihe kleinerer Fotos mit ihr, hatte die Redaktion groß das Bild eines anderen schwarzen Models abgebildet. Sie kommentierte auf Instagram: »Ich glaube, einem weißen Model wäre das nicht passiert.«
ZELDA WYNN VALDES – Designerin
Sie war es, welche das berühmte Playboy Bunny Kostüm entworfen hatte. 1960 hatte Hugh Hefner Zelda Wynn Valdes damit beauftragt. Sie hatte auch für Josephine Baker, Ella Fitzgerald und Mae West entworfen, immer mit dem Ziel, die Schönheit jeder Frau individuell zu betonen. In den 1920er Jahren hatte sie sich in einer New Yorker Boutique als Regal-Auffüllerin anstellen lassen und stieg schließlich zur Änderungsschneiderin auf. 1948 eröffnete sie ihre erste eigene Boutique in New York und zementierte damit ihren Erfolg als erste afro-amerikanische Modedesignerin.
TYLER MITCHELL – Fotograf
Im Jahr 2018 war der heute 24-Jährige der erste schwarze Fotograf, welcher das Cover der amerikanischen Vogue fotografiert hat. 2019 erschien sein Name auf der »30 under 30«-Liste von »Forbes«. Man kann es fast nicht glauben: Tyler Mitchell ist der erste Afroamerikaner in der über 125-jährigen Geschichte des Magazins, der ein Cover für die amerikanische Ausgabe der Vogue fotografierte. Mittlerweile hat er Kampagnen für Labels wie Marc Jacobs oder Comme des Garçons fotografiert. Auch er ist politisch und setzt sich für Gleichheit ein. Aber nicht, indem er Missstände und rassistische Unrecht dokumentiert, sondern indem er in seinen Bildern Untertöne anklingen lässt, welche der Betrachter interpretieren darf. Wenn er will.
Wir sind auf dem Weg. Aber noch nicht am Ziel.
Rassismus teilt die Welt auf. In Schwarz und Weiß. So einfach. So polar. So schlecht. Die Solidaritätswelle auf Instagram am »Blackout Tuesday« wollte ein Zeichen setzen für eine tolerantere und vielfältigere Gesellschaft. Das ist gut, denn das heißt, dass das Thema uns jetzt wieder weltweit aktiv bewegt. Ein schwarzes Quadrat auf seinem Instafeed zu posten, reicht aber nicht aus. Um Diskriminierung zu beenden und Ungerechtigkeit zu stoppen, müssen wir dranbleiben, zuhören, uns mit den Missständen beschäftigen und uns wirklich auseinandersetzen. Alltagsrassismus ist, wenn man anfängt, bewusst darauf zu achten allgegenwärtig. Auch bei uns. Jeder von uns sollte sich einmischen und aktiv Stellung beziehen, wenn er Zeuge einer Diskriminierung wird. Diversität darf kein Modetrend sein, der wieder verschwindet. Nicht gesamtgesellschaftlich. Und auch nicht in einzelnen Branchen. Bezogen auf die Fashion-Welt sind die Dinge in Bewegung, aber das ist erst der Anfang. Auch, wenn sich auf den Laufstegen seit Naomi Campbell’s Karrierebeginn die prozentuale Repräsentation verschiedener Ethnien verbessert hat, ist Ungleichbehandlung immer noch ein großes Thema. Bis ein echter struktureller Wandel erreicht ist, kann es noch Jahre oder noch ein Jahrzehnt dauern. Diversität sollte gelebte Praxis werden. Blickt man beispielsweise auf die Wahrnehmung und Anerkennung afrikanischer Modeschöpfer, fällt auf, dass sie immer noch nicht die Plattform bekommen, welche sie verdienen. Dennoch wird speziell in der Mode spürbar, dass sich die Dinge langsam verändern, dass Schlüsselpositionen bei Labels oder in Redaktionen von schwarzen Menschen bekleidet werden und so die Repräsentanz und Sichtbarkeit zunimmt. Erst aber, wenn diese selbstverständlich ist und keiner Debatte mehr bedarf, haben wir hoffentlich alle gemeinsam die Welt zum Positiven hin verändert.
#BlackLivesMatter, #representationmatters – in der Modewelt gab und gibt es positive Entwicklungen hin zu mehr Gleichheit und weniger Diskriminierung. Wie schätzt ihr die aktuelle Situation ein? Was fällt euch auf? Wie sehr beschäftigt euch das Thema? Postet gern eure Meinung in den Kommentaren.