Jul 15, 2019

Kind oder Karriere? Beides! Diese Nobelpreisträgerinnen haben es geschafft.

Es ist ein vieldiskutiertes Thema, das nichts an Aktualität eingebüßt hat. Kind? Oder Karriere? Im bestem Fall beides. Aber geht das überhaupt? Und wenn ja, in welcher Struktur funktioniert das? Viele Unternehmen bieten einiges an, um vor allem den Müttern die Möglichkeit zu geben, nach der Babypause wieder voll einzusteigen – dazu zählen flexiblere Arbeitszeiten oder die Chance, nach der Elternzeit in die alte Position zurückzukehren. Die Realität sieht leider heute häufig noch so aus, dass mit steigender Qualifikation und Verantwortung in der aktuellen Job-Rolle die Angst steigt, durch ein Kind berufliche Chancen zu verspielen. Und das leider zu Recht.

Ist die Vereinbarkeit eine Lüge?

Viele Unternehmen denken rein wirtschaftlich und agieren zahlengetrieben. Mütter  in Top-Positionen, die beispielsweise bei Krankheit des Kindes zu Hause bleiben müssen oder um halb vier in Richtung Kita verschwinden, passen da nicht ins Bild. Dabei sehe ich es persönlich im aktuellen War of Talents gerade für Unternehmen als Alleinstellungsmerkmal an, sich als familienfreundlich und entsprechend flexibel zu positionieren.

Sicher spielt dabei auch die Branche eine Rolle – ich habe es in der Agenturwelt häufiger erlebt, dass Mütter nach dem Mutterschutz ihre Führungsrolle auf kurz oder lang verloren haben. Auch, wenn sich gerade die großen Agenturen in der Marketing- und Kommunikationsbranche offiziell etwas anderes auf die Fahne schreiben. Genau deswegen liegt mir das Thema auch am Herzen. Denn meist sind es die Frauen, deren Karriere den vielzitierten Knick erhält. Erfolgreiche, ehrgeizige, hochkompetente Frauen. Dabei – und auch das ist belegt  – sind es genau die Mütter, die extrem effizient arbeiten, die Projekte analytisch und fokussiert angehen und Zeitmanagement perfekt beherrschen. Meine ehemalige Chefin in einer kleinen, inhabergeführten Agentur schwärmt mir häufig von den tollen Mitarbeiterinnen mit Kind vor – diese Einstellung ist aber nicht die Regel.
Was ist also die Alternative? Kein Kind und Karriere? Oder Kind und zurück zu den tradierten Familienrollen? Gibt es denn nichts dazwischen? Nun, es gibt ja nicht nur die Agentur- und Marketing-Welt, in der ich mich bewege.

Im Blick: Spitzenforscherinnen mit Familie

Ich habe kürzlich einen sehr schönen Beitrag gelesen, der mich zum Nachdenken gebracht hat. Da ging es um Frauen, die Kind und Karriere vereinbaren konnten – die Außergewöhnliches in ihrem Bereich geleistet haben, mit einem starken Ehrgeiz als Motor, viel Disziplin und eisernem Willen. Trotz teils widriger Umstände ließen sie sich nicht von einer Sache abhalten: dem wissenschaftlichen Forschen. Diese Frauen waren und sind so exzellent in ihrem Fach, dass sie dafür den Nobelpreis bekommen haben. Fakt ist: Nur rund fünf Prozent der Nobelpreise gingen bislang überhaupt an Frauen. Bis auf wenige waren und sind diese Nobelpreisträgerinnen verheiratet und zogen oder ziehen ihre eigenen Kinder groß. Wissenschaftlerinnen also, die sich in der absoluten Männerdomäne „Spitzenforschung“ durchgesetzt haben. Damit geben sie ein Beispiel. Und machen Mut, dass das Klischee der alleinstehenden Karrierefrau nicht zwangläufig zutreffen muss. Wie sie das geschafft haben, hat mich so interessiert, dass ich mir fünf dieser Wissenschaftlerinnen etwas genauer angeschaut habe. Und sie euch hier kurz vorstelle.

Mut, Ausdauer und Leidenschaft: Marie Curie

Nobelpreise Physik 1903 & Chemie 1911

Wissenschaftlerin, Mutter und zweifache Nobelpreisträgerin in Physik und Chemie – Marie Curie war keine klassische Feministin. Aber durch ihr Handeln und ihr Lebenswerk hat sie die Welt nachhaltig verändert. Und das in einer Zeit, in der es um die Rolle der Frau noch schlecht bestellt war.

Curie mit Mann und Tochter Irene

Geboren wurde die Physikerin am 7. November 1867 in Warschau als Maria Salome Sklodowska. Als erste Frau studierte sie an der Sorbonne Physik und schloss – trotz der Fremdsprache – als Jahrgangsbeste ab. Für sie war Wissenschaft ein wichtiger Teil ihres Lebens. Als absolute Überzeugungstäterin bekam sie ein Stipendium, um ihre Forschungen, die sie in einem Schuppen (!) begonnen hatte, in einem Labor fortzusetzen. Dort lernte sie ihren Mann, den Physiker Pierre Curie kennen. Sie heirateten ein Jahr später und Tochter Irène wurde geboren. Gemeinsam fand das Ehepaar zwei neue Stoffe: Polonium und Radium. Für die Entdeckung und Erforschung der Radioaktivität erhielten sie 1903 den Nobelpreis für Physik. Ein Jahr später wurde die zweite Tochter Ève geboren. Nach dem tragischen Unfalltod ihres Mannes forschte Marie Curie alleine weiter und lehrte als erste Dozentin an einer Universität. Mit Erfolg: Neun Jahre später winkte der zweite Nobelpreis. Diesmal in Chemie. Als Folge ihrer jahrelangen Arbeit mit radioaktiven Elementen starb sie 1934 an Leukämie. Ihre Tochter Irène trat in die wissenschaftlichen Fußstapfen der Mutter und wurde 1935 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.


Der Beruf als Berufung: Maria Goeppert-Mayer

Physik-Nobelpreis 1963

„Werde niemals eine Frau, wenn du groß bist“, soll Maria Goeppert-Mayers Vater gesagt haben. Gemeint hat er damit wohl, dass sie einen interessanten Beruf lernen und damit die seit sechs Generationen ununterbrochene Abstammungslinie von Professoren fortsetzen sollte – in einer Zeit, in der Frauen weder in Deutschland noch in den USA als Professorin vorgesehen waren. 1963 erhielt sie als zweite Frau und 60 Jahre nach Marie Curie den Nobelpreis für ihre Erkenntnisse zur Schalenstruktur des Atomkerns.

Maria Goeppert-Mayer

Doch der Reihe nach: Maria Goeppert-Mayer (1906 geboren) hatte Mathematik und Physik in Göttingen studiert. Nach dem Tod des Vaters vermietete die Mutter Zimmer an Studenten. Einer davon war Joseph Mayer aus den USA, der physikalische Chemie studierte  – Marias späterer Mann. Als er in Baltimore eine Professur bekam, zog das Ehepaar um. Vorher hatte Maria in Deutschland über Doppel-Photonen-Prozesse promoviert – einen quantenphysikalischen Effekt. In den 30er Jahren kamen die beiden Kinder Marianne und Peter zur Welt. Gemeinsam mit ihrem Mann schrieb sie in der Zeit ein Lehrbuch zur Statistischen Mechanik. Ende 1941 forschte sie – wie viele andere Naturwissenschaftler – an der Gewinnung von nuklearem Sprengstoff. Danach gingen sie und ihr Mann an das Atomforschungszentrum in Chicago. Als unbezahlte Professorin entwickelte sie dort die Theorie vom zwiebelartigen Aufbau des Atomkerns. Dafür bekam sie 1963 im Team mit Eugene Wigner und Hans Jensen den Nobelpreis.


Schnecken als Forschungsobjekte in der Kindheit: May-Britt Moser

Nobelpreis für Medizin 2014

Wie funktioniert Orientierung im Raum? Was führt dazu, dass wir Entfernungen einschätzen können – für ihre Forschungsergebnisse zu dieser Frage bekam die norwegische Neurowissenschaftlerin May-Britt Moser 2014 gemeinsam mit ihrem Mann Edvard und John O’Keefe den Medizin-Nobelpreis. Die Neugierde herauszufinden, was Menschen antreibt, zu handeln, beschäftigte sie schon immer.

May-Britt Moser 2015

Die Mutter zweier Töchter war bereits als Kind von Verhaltensfragen fasziniert und beobachtete Schnecken. Später studierte sie Psychologie in Oslo und promovierte gemeinsam mit ihrem Forschungskollegen und späteren Ehemann Edvard Moser in Neurophysiologie. Als sie bei einem Forschungsaufenthalt in London John O ́Keefe kennenlernte, war das Team perfekt. Denn O´Keefe hatte die sog. „Ortszellen“ im Gehirn entdeckt – ein Indiz für ein kognitives Navigationssystem.


Laser-Enthusiastin: Donna Strickland

Nobelpreis für Physik 2018

Auch sie steht in einer Reihe mit den Pionierinnen Marie Curie und Maria Goeppert-Mayer: Die Kanadierin Donna Strickland ist die dritte Frau, die einen Nobelpreis für Physik erhielt – gemeinsam mit dem US-Wissenschaftler Arthur Ashkin und dem französischen Forscher Gérard Mourou. Die Auszeichnung würdigte die Entwicklung einer Methode zur Generierung hochintensiver, ultrakurzer Laserblitze. Diese werden bei Augenoperationen eingesetzt.

Donna Strickland 2018

Donna Strickland lehrt als Professorin an der Universität in Waterloo. Promoviert hatte sie an der University of Rochester, USA, bei Optik-Professor Gérard Mourou, mit dem zusammen sie den Nobelpreis erhielt. Mit Laser-Forscher Douglas Dykaar hat sie zwei Kinder.


 Sie weiß einfach, was sie will: Frances Arnold

Nobelpreis für Chemie 2018

Und noch eine weitere exzellente Forscherin wurde 2018 ausgezeichnet: Frances Arnold aus den USA erhielt in der Kategorie Chemie als fünfte Frau überhaupt den Nobelpreis. Sie forscht an Enzymen. Ihr gelang es, diese als mikrobiologische Katalysatoren einzusetzen. So kann man Chemikalien umweltverträglicher machen oder erneuerbare Treibstoffe schaffen – zum Beispiel Biosprit. Die Professorin vom California Institute of Technology in Pasadena teilt sich den Preis mit George Smith und Gregory Winter.

Frances Arnold 2018

Vorher war Frances Arnold in anderen Forschungsfeldern tätig: Sie studierte Luftfahrttechnik und Maschinenbau in Princeton und arbeitete im Bereich Solarenergie. Nach Reagans Amtszeit dämmte die USA die Pläne zu erneuerbaren Ressourcen stark ein und Arnold wechselte kurzerhand das Thema. Für ihre Arbeit an Katalysatoren erhielt die dreifache Mutter den Nobelpreis. Sie, so wurde in der Nobelpreisrede sinngemäß formuliert, weiß einfach, was sie will.


Genau wissen, was man will – aber reicht das?

Vielleicht ist genau das der Schlüssel zum Erfolg dieser besonderen Frauen. Die feste Überzeugung, die es ihnen möglich macht gegen alle Umstände weiterzumachen. Diese Art von Enthusiasmus, die große Passion und das herausragende Talent sind allerdings ein besonderer Antrieb, der nicht alltäglich ist. Die oben beschriebenen Frauen haben Spitzenergebnisse erreicht, weil sie – aus meiner Sicht – eine überdurchschnittlich hohe Motivation haben.

So schön es auch wäre, wenn man auch aus diesen Biographien Erfolgsrezepte für die Vereinbarkeit von Kind und Beruf herauslesen könnte – ich halte sie für Sonderfälle, die nicht mit normalem Maßstab gemessen werden können. Für mich ist klar: Die Nobelpreisträgerinnen können nicht als Norm dafür gesehen werden, dass besondere Leistungen oder ein starker Wille ausreichen könnten, Systeme zu ändern. Und bis heute ist das ja nicht passiert. Eine ideale Arbeitswelt sollte für alle funktionieren. Es sollte möglich sein, gut qualifiziert und mit Kindern Führungsrollen auszuüben – für jeden Arbeitnehmer. In Konzernen oder Netzwerk-Agenturen bringt die Rolle als Mutter leider häufig Einschränkungen für die Karriere – nach wie vor. Zumindest in Deutschland, das in Sachen Umdenken noch viel vom skandinavischen Vorbild lernen kann.

Deswegen ist es wichtig, dass wir an dem Punkt wach bleiben und nicht aufhören, uns für flexible Modelle, firmeninterne Kita-Plätze und vor allem für eine andere Haltung einzusetzen.

Wie seht ihr das? Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Kennt ihr Beispiele, wo es mit der Vereinbarkeit von Kind und Karriere gut funktioniert hat? Was habt ihr für Ideen zu dem Thema? Postet einfach dazu in den Kommentaren!


Fotos: Marie mit Familie – gemeinfrei via Wikipedia, Goeppert – gemeinfrei via Wikipedia, Strickland by Bengt Nyman from Vaxholm, Sweden CC BY 2.0 via Wikipedia, May-Britt Moser by Vogler CC BY-SA 4.0 via Wikipedia, Frances Arnold by US Embassy Sweden – Nobel 2018 CC BY 2.0 via Wikipedia

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Meine Liebe zu Mode und Kommunikation hat mich zu Ana Alcazar gebracht – als Texterin & Konzepterin in der klassischen Werbung groß geworden, schreibe ich seit fast 10 Jahren für unser Münchner Designerlabel. Im Redaktionsteam bin ich für alle Corporate-Themen zuständig, außerdem befasse ich mich hier mit aktuellen Trends & meinem Herzensthema Gleichberechtigung,

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