Jun 8, 2020

Frida Kahlo Fashionikone. Das Geheimnis ihrer Strahlkraft auf Mode.

Aktualisiert am 2. Dezember 2021

»Wozu brauche ich Füße, wenn ich Flügel habe?« – dieser Satz von ihr selbst steht für mich schon fast sinnbildlich für Frida Kahlo und ihren Spirit. Frida Kahlo, die mexikanische Malerin, wird in ihrer Heimat wie eine Heilige verehrt. In Europa und Nordamerika wählte die Frauenbewegung die selbstbewusste Künstlerin zur Gallionsfigur – in der Modestadt Paris galt sie schon zu Lebzeiten als Stilikone sowie als außergewöhnliche surrealistische Malerin. Frida Kahlo bezeichnete sich gern »La gran ocultadora« – also, die große Geheimnisvolle. Wer also war sie?

»In meinem Leben gab es zwei Unfälle – einen, als ein Bus in eine Straßenbahn fuhr und der zweite war Diego.« (Frida Kahlo)

Wer sie einmal gesehen hat, verwechselt sie nie mehr: Die dominanten schwarzen Augenbrauen – als Unibraue stilisiert –, ihr intensiver Blick, ihr stolz erhobenes Kinn und ihr von den indigenen Völkern inspirierter Style mit blumengeschmücktem Haar machten sie unverkennbar. Geboren 1907 in Mexiko, beschloss sie später, ihr Geburtsdatum als symbolischen Akt der Solidarität auf 1910 zu datieren: den Beginn der mexikanischen Revolution. Schmerzen und Leiden – seelisch wie körperlich – spielten in ihrem Leben immer wieder eine gewichtige Rolle. Mit 6 Jahren erkrankte sie an Kinderlähmung mit der Folge, dass ein Bein kürzer und dünner war als das andere. Ein Grund, warum sie gern lange Röcke trug. Mit 18 Jahren saß sie in einem Bus, welcher mit einer Straßenbahn kollidierte. Eine eiserne Haltestange bohrte sich durch Rücken und Unterleib. Sie war mehrere Wochen bewusstlos, erlitt schwerste Verletzungen und litt ein Leben lang an den Folgen.

Gefesselt ans Bett, brachte sie sich im Liegen das Zeichnen bei, welches sie von nun an ein Leben lang begleiten sollte. Ich finde es sehr bezeichnend, dass die Initialzündung für ihre großartigen, surrealistischen Gemälde genau in dieser Phase des Schmerzes passierte. Und dieser Linie blieb sie auch treu – ihre Kunst war für die mexikanischen Surrealistin immer auch Mittel, um sich mit sich und der Welt auseinanderzusetzen, um mit sich und der Welt wieder ins Reine zu kommen. Dank ihrer unermüdlichen Willenskraft und ihres ungebrochenen Kampfgeistes konnte sie mithilfe eines Spezialkorsetts – wider das Erwarten der Ärzte wieder gehen. Hier konnte man sehr deutlich ihren starken Willen, ihren Kampfgeist und ihr Selbstbewusstsein erkennen.

1929 heiratete sie den weltberühmten mexikanischen Freskenmaler Diego Rivera, mit dem sie eine leidenschaftliche, aber wegen seiner Affären, u.a. mit ihrer Schwester, auch schmerzliche Liebe verband. Das Paar wurde wegen der kräftigen Statur von Diego auch als »der Elefant und die Taube« bezeichnet.

Frida selbst hatte mehrere Liebesaffären mit Frauen und Männern, unter ihnen der russische Revolutionär Leo Trotzki. Alle Schwangerschaften von Frida Kahlo endeten wegen der Spätfolgen des Busunfalls mit Fehlgeburten. Wieder drückte sie ihre Gefühle in ihren Bildern aus. In einem Gemälde beispielsweise zeigt sie sich selbst gekrümmt auf einem Bett liegend – umgeben von dem Abbild eines Fötus, einer Magnolie, einer Schnecke als Symbol für die Langsamkeit des schmerzlichen Kindsverlust-Prozesses und ihrem Becken. Damit wich sie von der traditionellen Darstellung weiblicher Schönheit in der Kunst ab, sondern inszenierte vielmehr ihre Emotionen in surrealen Motiven.

 

Von ihren ca. 150 Bildern waren 55 Selbstporträts. Bei einer Ausstellung in Paris 1939, dem Jahr der Scheidung von Diego Rivera, umarmte Kandinsky sie mit Tränen in den Augen, Picasso schrieb an seinen Kollegen Rivera: »Weder Derain, noch ich oder du sind in der Lage, einen Kopf so zu malen wie Frida Kahlo.« 1954 starb sie im sog. »Blauen Haus«, in der »Casa Azul«, in welchem sie geboren wurde und einen Großteil ihres Lebens verbracht hatte. Bereits 1955 wurde das Blaue Haus in Mexiko-Stadt zum Museum, in welchem ihre Kleider und Bilder ausgestellt sind und das sich noch heute größtem Zulauf erfreut.

Eine Frau mit Haltung, Substanz und Stil

Ein beeindruckendes Leben – eine unkonventionelle Kämpferin, deren Lebenskraft immer stärker war, als alle Hindernisse. Eine Freidenkerin, selbstbestimmt und unbeirrbar. Ein künstlerisches Genie, welche ihr außergewöhnliches Talent einsetzte, um ihrem Leid eine Form, ein Bild zu geben. Eine Frau, welche aber andererseits große Gefühle und irrationale Leidenschaft leben konnte und welche dem Hedonismus, dem Moment und dem Genuss – bis hin zum Exzess – sehr zugetan war.

Ihre intensive, eigenwillige modische Ästhetik, mit der sie einen neuen Modestil schuf, inspiriert und bewegt bis heute Künstler, Designer, Kreative und auch alle anderen: Frida liebte bunte, weite Röcke, angelehnt an die Tracht der Tehuantepec Region, in welcher Frauen die Gesellschaft anführen. Kurzgeschnittene Blusen, sog. Huipils, welche aus rechteckigen Teilen gefertigt werden, kaschierten ihr Korsett, welches sie seit dem Unfall tragen musste. Ihre Kleider unterstrichen ihre mexikanische Herkunft – bestickte mexikanische Tücher (Reboszos) und Schmuck im pre-kolumbianischen Stil ergänzten den Look. Es ist schon erstaunlich, dass Frida Kahlo als Frau, die nicht aus einem Erste-Welt-Land stammte und die nicht im Showbusiness tätig war, neben Marilyn Monroe, Jacky Kennedy und Maria Callas zu einer der populärsten Ikonen des 20. Jahrhunderts aufsteigen konnte.

 

Inspirierend auf ganzer Linie – von Tasse über Turnschuh bis Design

Wie keine zweite beeinflusste Frida Kahlo mit ihrem So-Sein die Kunst- und Modewelt. Feministisch, nonkonformistisch – schon fast inflationär taucht das Konterfei von Frida Kahlo auf T-Shirts, Taschen, Tassen, Kaffeefiltern, auf Armbändern und bei Make-up-Linien in der Kosmetikindustrie auf.

Auch die High Fashion erlag der Faszination und lies sich inspirieren: Jean Paul Gaultiers Kostüm für Milla Jovovich in »Das fünfte Element« beispielsweise ist angelehnt an Fridas Werk »Die zerbrochene Säule«, in dem sie sich selbst – in der Mitte auseinandergebrochen – mit Korsett malte. In seiner Spring-Runway-Show 1998 griff Jean Paul Gaultier 1998 die surrealistische Künstlerin schließlich in seinen Designs auf. Weitere namhafte Designer wie Christian Lacroix und auch Karl Lagerfeld erweckten sie in ihren Kollektionen zum Leben. Lagerfeld verwandelte seine Muse Claudia Schiffer 2010 für die Vogue in Frida Kahlo. In jüngerer Zeit hat sie auch Designer wie Riccardo Tisci für Givenchy, Dolce & Gabbana und Carolina Herrera beeinflusst.

Riccardo Tiscis Couture-Kollektion für Givenchy im Herbst 2010 kam mit bodenlangen Kleidern, bei denen die Knochen der Wirbelsäule und des Brustkorbs mit Perlenstickerei abgebildet wurden. Diese hatte der Designer als Hommage an die Gipskorsetts von Frida Kahlo konzipiert. Ihre Korsetts inspirierten übrigens auch Madonnas berühmtes »kegelförmiges« Bustier, das Jean Paul Gaultier für ihre Tournee 1990 entwarf. Salma Hayek verkörperte die Malerin 2002 in der Film-Biografie über Kahlos Leben.

Im Jahr 2018 brachte Mattel anlässlich des Internationalen Frauentags eine Frida Barbie heraus – mit rotem Mund, dunklen Augen und der typischen Hochflechtfrisur mit Blumenschmuck. Frida als Barbie zu verkaufen und das in einer konsumgerecht idealisierten Erscheinung wurde von vielen Seiten kritisiert. Nach Klage der Großnichte durfte die Puppe nicht mehr verkauft werden.

Was macht Frida’s Ästhetik in der Mode so populär?

Man kann also von einer regelrechten »Fridamania« sprechen. Tatsächlich gibt es in der modernen (Pop-)Kultur nur wenige Charaktere, auf die sich wirklich alle einigen können. Diese Beobachtung brachte die Vanity Fair auf den Punkt und bezeichnetet Frida Kahlo als »politisch korrekte Heldin für jede Minderheit«. Will heißen: Wer sich auf sie beruft, liegt immer richtig. Und doch ist es mehr. Denn irgendwas fasziniert Designer und Kreative an Frida bis heute.

Wie also konnte es zu der flächendeckenden Kommerzialisierung einer solchen Individualistin kommen?

Die Malerin als Marketing-Star?

Soviel ist sicher: Mode und Inszenierung waren ein entscheidender Teil von Frida Kahlos Gemälden – und auch von in ihrem täglichen Leben. Sie liebte es, in großen Kaufhäusern und in den Geschäften San Franciscos zu shoppen und verbachte viel Zeit mit Styling und der Wahl ihres Outfits. Ihre zusammengewachsenen Augenbrauen betonte sie und machte sie dadurch bewusst zu einem Markenzeichen. Ihr Mann Diego Rivera verglich die berühmten Augenbrauen seiner Frau mit Kolibri-Flügeln – auch wieder ein starkes, sehr eingängiges Bild. Frida war ihre eigene Muse und legte auf jeden Aspekt ihres Stils sehr viel Wert. Sie konnte sich für Farben und Stoffen begeistern und war immer sehr ausdrucksstark und detailgenau geschminkt. Dabei sind ihre Selbstportraits dekorativ, aber nie aufdringlich. Die opulenten Blumenkränze in ihrem Haar wirken manchmal wie eine Krone, ein Motiv, das man übrigens aus Märchen und Mythen kennt. Ihre bewusst gewählten Looks waren aber auch ein Statement – eine Stellungnahme gegen westliche Ideale von Schönheit und Weiblichkeit.

Diese Haltung trug sicherlich auch zu der Ikonisierung ihres Selbstbildes bei und ich glaube, dass Frida auch Wert auf diese Aufmerksamkeit legte. Frida Kahlo verstand es meisterhaft, ein Bild von sich als öffentliche Person aufzubauen. Sie spielte bewusst mit der Macht von Bildern und nutzte Mode, um Identität zu konstruieren und Abgrenzung zu schaffen. Ein Beispiel: Frida wählte ihre Outfits aus der Kleidung der indigenen Völker. Wenn man genauer hinsieht, was das für ihren privilegierten Hintergrund eigentlich ungewöhnlich. Ihre Mutter war Mexikanerin, ihr Vater aber stammte aus einer Linie deutscher Protestanten. Die Künstlerin war sehr stolz auf ihre mexikanische Linie und betonte diese bewusst – nicht nur mit ihrer Kleidung, sondern auch mit der Rückdatierung ihres Geburtsjahres zu 1910. Sie modifizierte also ihr Geburtsdatum, um ein Statement für die mexikanische Revolution, welche 1910 begann, abzugeben. Dazu kommt, dass durch Fridas trotzigen Blick Tabuthemen wie Behinderung und Totgeburt sichtbar werden konnten. Sie setzte damit einen Gegenpol zu den typischen, weiblichen Schönheitsidealen ihrer Zeit – eine immer noch hochaktuelle und wichtige Perspektive, wenn man bedenkt, dass wir auch heute noch in einer männlich dominierten Gesellschaft leben und um echte Gleichberechtigung kämpfen.

 

Frida Kahlo schaffte es, mit ihrer Kunst und ihrem ganzen vielschichtigen So-Sein, mit ihrer Zerbrechlichkeit, Nachdenklichkeit und ihrer Stärke die Menschen zu berühren – sie war sich der Macht von Bildern sehr bewusst und hatte ein feines Gespür für Inszenierung. Dabei sind ihr künstlerisches Werk, ihr Stil und ihre Persönlichkeit untrennbar miteinander verbunden. Ihr eigenes Schicksal ist immer wieder Thema in den Motiven. Die meisten ihre Bilder sind Selbstportraits. So entsteht eine Einheit der realen Frau mit ihrem streitbaren Geist und ihrem spezifischem Look sowie ihren Abbildern der Realität als Künstlerin. Genau diese Gesamt-Inszenierung hat ihr die ikonische Kraft verliehen, von der sich so viele Kreative und Designer noch immer angezogen fühlen.

Fridas »Maverick Mind«: Zerbrechlichkeit und Kraft als Identifikationspunkte

Frida Kahlo selbst war meisterhaft darin, ein Image zu erzeugen und damit eine Projektionsfläche. Sichtbar ist zwar der starke und unverkennbare Stil – der gern kopiert wird – faszinierend und damit wirklich fesselnd ist aber etwas anderes: der eigensinnige Geist. Dieser ist es, mit dem Designer und Labels ihre Kollektionen bereichern wollen. Das hohe Maß an Individualität, die geniale Kreativität, der schöpferische und höchste konstruktive Umgang mit persönlichem Leid – das sind Inspirationen, mit denen wir uns alle gern schmücken. Und mit denen Mode schließlich einzigartig wird. Das tapfere und mutige „Trotzdem“, mit dem sie ihr Leben meistert ist es, das uns immer wieder fesselt und der Ikone Frida Kahlo ihre ungebrochene Strahlkraft verleiht.

Was wäre wohl gewesen, wenn Frida auf Instagram gepostet hätte? Fällt es euch auch auf? Sie war eigentlich die erste Frau, die Selfies von sich machte – weit vor Kim Kardashian und anderen Instagram Stars!

Noch mehr Frida gefällig? Bei Google Arts gibt es gerade eine tolle Ausstellung zu der Ausnahmekünstlerin!

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Meine Liebe zu Mode und Kommunikation hat mich zu Ana Alcazar gebracht – als Texterin & Konzepterin in der klassischen Werbung groß geworden, schreibe ich seit fast 10 Jahren für unser Münchner Designerlabel. Im Redaktionsteam bin ich für alle Corporate-Themen zuständig, außerdem befasse ich mich hier mit aktuellen Trends & meinem Herzensthema Gleichberechtigung,

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