Nov 18, 2019

Erklär mir bitte nicht die Welt. Mansplaining – Nein, Danke!

Aktualisiert am 4. August 2022

Kennt ihr das auch? Neulich auf der Party habe ich mich mit einem Mann unterhalten, der, nachdem ich mich als Texterin geoutet hatte, anfing mir die deutsche Sprache zu erklären. Ungefragt. Und nein, er war kein Journalist oder Schriftsteller. Dann hatte ich einen Chef, der noch bevor ein weibliches Gegenüber den Mund öffnen konnte, anfing, mit seinem Wissen zu prahlen – selbstverständlich in der Annahme, dass die Gesprächspartnerin ohnehin keine Ahnung hätte.

Für dieses Phänomen, das vermutlich fast jede Frau schon erlebt hat, gibt es einen Kunst-Begriff: »MANSPLANING« – »MÄNNERKLÄREN«. Die englische Zusammensetzung aus »to explain« (»erklären«) und «Mann« steht als Synonym für männliche Bevormundung und Besserwisserei. Kurz: Das Phänomen, wenn ein Mann einer Frau etwas von oben herab erklärt, wovon sie eigentlich mehr Plan hat als er.

Der Begriff selbst ist nicht neu. Bereits 2010 wurde »MANSPLANING« von der New York Times zu einem der Wörter des Jahres gekürt. Spätestens 2012 hatte der Neologismus einen festen Platz im Wortschatz der Medien. Mansplaining war in aller Munde. Wo das Wort genau seinen Ursprung hat, ist nicht bekannt.

Fälschlicherweise wurde Mansplaining der Schriftstellerin und Kulturhistorikerin Rebecca Solnit zugerechnet. Sie ist aber definitiv nicht die Urheberin. Auch, wenn sie die Definition für den Begriff lieferte. Denn sie beschäftigt sich mit dem zentralen Inhalt: männlicher Gesprächsdominanz. Bereits 2008 hatte sie ihren erfolgreichen Essay mit dem Titel »Wenn Männer mir die Welt erklären« veröffentlicht, in dem sie mit der männlichen verbalen Selbstdarstellung abrechnet: „Das provokative Selbstvertrauen der vollkommen Unwissenden ist geschlechtsspezifisch“, schreibt sie. Es stehe dafür, dass Frauen oft nicht für voll genommen würden. Der Essay wurde so intensiv diskutiert, dass die Autorin ihn zur Basis für ein darauffolgendes, ausführlicheres Buch machte.

Gegen die Unterdrückung von Frauenstimmen

Was steckt denn nun eigentlich hinter Mansplaining? In ihrem Buch schreibt Rebecca Solnit über die Unterdrückung und Abwertung von Frauenstimmen auf der ganzen Welt. Die Beispiele belegen eindrücklich, dass das Wort von Frauen weniger wiegt – über Kulturen und Gesellschaftsschichten hinweg: Frauen werden schnell als hysterisch abgetan. In manchen patriarchalischen Gesellschaften brauchen Frauen einen weiteren männlichen Zeugen, damit ihre Vergewaltigung anerkannt wird. Solnit berichtet auch von einer FBI-Agentin, deren Warnungen vor Al Qaida ignoriert wurden.

Es geht also um Deutungshoheit. Wer führt wann das Wort? Oder besser: Wer darf überhaupt mitreden? Mansplaining thematisiert die Ungleichbehandlung der Geschlechter und damit das zentrale Thema des Feminismus. Frauen mundtot zu machen, ist ein wirkungsvolles Mittel der Diskriminierung. Wenn Männer dies gegenüber Frauen tun, wollen sie ihre Position und ihre vermeintliche Überlegenheit absichern. Der Begriff Mansplaining entlarvt die männliche Machtposition in Gesprächen als Spiegel gesellschaftlicher Machtverhältnisse.

Meine Stimme ist genauso viel wert wie deine

Frauen werden auch heute noch öfter klein- und weggeredet als man annehmen sollte. Ich kann mich selbst an einige Situationen erinnern, in denen ich ebensolchen Männer begegnet bin, die annehmen, dass sie die Welt einfach besser kennen. Das sind dann die Gespräche, die gehörig schieflaufen. Weil es eben nicht um Austausch auf Augenhöhe geht, der im Rahmen eines gleichberechtigten Dialogs stattfindet. Sondern darum, zu zeigen, wer die Hosen anhat. Das ist ganz klar eine Form von Alltagssexismus. Leider wird Frauen – auch im beruflichen Kontext – offensiveres Verhalten häufig negativ ausgelegt. Männer, die sich durchsetzen, gelten als kompetent. Frauen, die das tun, werden als aggressiv abgestempelt. Bei Männern ist es vollends akzeptiert, wenn diese ihr Ego ausbreiten. Frauen entscheiden sich in solchen Situationen häufig dazu, diplomatisch zu schweigen. Nicht dazu zu sagen, wenn ein Mann gerade die Welt erklärt.

Immer dann aber, wenn Positionen einfach ignoriert werden, wird aber das Gegenüber – häufig die Frau – unsichtbar gemacht. Will man die Debatte differenziert führen, darf man dabei nicht vergessen, dass es auch Frauen gibt, die andere bevormunden. Und genauso schweigen manche Männer lieber. Sicherlich spielen Rollenbilder und Erziehungsstile eine Rolle. So lernen Jungen viel häufiger, dass es wichtig ist, ihre Sicht der Dinge knallhart durchzusetzen. Mädchen versuchen tendenziell, Kompromisse zu finden. Diese Muster machen es aber nicht einfacher, die vorhandenen patriarchalischen Strukturen in der Gesellschaft aufzuweichen.

Gleichberechtigung bedeutet Freiheit und Augenhöhe

Wenn man genauer hinschaut, hat das Frauen-Wegreden eine lang gewachsene Tradition. In den meisten Kulturen erhalten die Kinder den Nachnamen des Vaters. Im englischen Sprachraum wurden verheiratete Frauen sogar noch vor nicht allzu langer Zeit mit dem Vor- und Nachnamen ihres Mannes angesprochen – diesem wurde nur ein »Mrs.« vorangestellt.

Mansplaining steht Pate für alle Formen des Alltagssexismus sowie die unausgesprochenen Hierarchien in Gesellschaften. Diese Ungleichbehandlung trifft auch andere Gruppierungen, häufiger diejenigen, die nicht weiß, wohlhabend und heterosexuell sind. Der Begriff lässt sich also noch weiter ausdehnen. Denn das Phänomen der Ungleichheit ist nicht nur ein Thema des Patriarchats. Aber es geht dabei immer um Machtausübung – und die kann von gesellschaftlichen Gruppen, patriarchalisch orientierten Männern und auch von Frauen kommen.

Ich habe einige männliche Freunde, die einen sehr zugewandten, dialogischen Kommunikationsstil haben. Nicht alle Männer sind ungefragte Welterklärer und damit Mansplainer. Das lässt sich genauso wenig wegdiskutieren wie die häufig patriarchalischen Strukturen in den Führungsetagen. Es ist gut und richtig, dass mit Mansplaining ein Begriff geschaffen wurde, der es möglich macht, das Problem auf den Punkt zu bringen. Lasst uns das Wort erheben!

Hattet ihr von schon etwas von Mansplaining gehört? Was denkt ihr darüber? Kennt ihr auch Situationen, in denen sich ein Mann als allwissend dargestellt hat? Ein spannendes Thema – postet gern eure Meinung!

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Meine Liebe zu Mode und Kommunikation hat mich zu Ana Alcazar gebracht – als Texterin & Konzepterin in der klassischen Werbung groß geworden, schreibe ich seit fast 10 Jahren für unser Münchner Designerlabel. Im Redaktionsteam bin ich für alle Corporate-Themen zuständig, außerdem befasse ich mich hier mit aktuellen Trends & meinem Herzensthema Gleichberechtigung,

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