Okt 25, 2017

Kiew – Dynamik und pure Lebensfreude am Dnepr

Aktualisiert am 9. Juli 2018

„Ich hatte mir Kiew nicht so schön vorgestellt (…). Die Stadt hat einen weiten Horizont, visuell, aber auch geistig. Man spürt eine große Freiheit und Leichtigkeit.“
Alexander Sokurow, russischer Regisseur


Vor ein paar Jahren war die Hauptstadt der Ukraine in aller Munde – die revolutionären Ereignisse in den Jahren 2013/14 auf dem Platz der Unabhängigkeit haben die Stadt auf den sieben Hügeln in die Medien gebracht. Auch Vitali Klitschko erlebte während der 94 Tage dauernden Revolution seinen „härtesten Kampf“ (so titelte jedenfalls Die Zeit). Der Ex-Box-Champion und heutige Bürgermeister von Kiew trat als einer von drei Revolutionsführern für Neuwahlen ein.

Alles drehte und dreht sich in Kiew um den Platz der Unabhängigkeit, den Majdan. Heute tummeln sich an dem Ort, an dem die Revolution der Würde stattfand, Geschäftsleute und Börsenmakler genauso wie Skateboarder, Soldaten oder Bettler. Rund um den Majdan liegen viele berühmte Sehenswürdigkeiten. Und: Am Majdan beginnen auch der Prachtboulevard Chreschtschatyk und die sich anschließende Einkaufsmeile.

Kiew gilt als hip und cool, erlebt einen Aufschwung, von den Vibes her spricht man vom neuen Berlin. Die Menschen sind stolz, modebewusst und extrovertiert. Styles und Optik sind wichtig – im Alltag, beim Flanieren und vor allem abends in den Bars und Clubs. Viele haben studiert und alle lieben die Kunst, besuchen Kulturveranstaltungen und gehen oft in Ausstellungen. Der freiheitliche Spirit der pulsierenden Stadt ist überall wahrzunehmen – alle Zeichen stehen auf Aufbruch. Wenn ihr unterwegs seid, trefft ihr auf viel positive Energie und Lebensfreude.

Streetart-Fieber statt Einheits-Grau

Dazu passt keine Kunstform besser als Streetart: Jeder kann mitmachen, jeder hat irgendwie Zugang dazu und die grauen Wände der Postsowjet-Ära fangen an zu leuchten. Streetart ist eine sehr demokratische Ausdrucksform. Kein Wunder also, dass Kiew sich zu einem Mekka für Streetart-Künstler entwickelt hat. Großflächige Murals an den Häusern zeigen fantasievolle Landschaften, Nationalhelden, Fabelwesen oder Weltraum-Szenen. Man will die Schrecken der 94 Tage 2013/14 vergessen. Alles, was für Frohsinn, Weltoffenheit und vor allem Frieden steht, ist willkommen. Vitali Klitschko ist ein großer Befürworter der Streetart-Szene. Er unterstützte Geo Leros, einen Filmemacher, der ein Riesen-Graffiti-Projekt ins Leben gerufen hat – bis 2018 will er 80 Streetart-Walls mit Künstlern aus aller Welt realisieren. Es lohnt sich, in Kiev mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen.

Hier findet ihr eine interaktive Karte mit den großflächigen Murals in Kiew: http://kyivmural.com/uk/index


Fashion-Liebe und individuelle Street-Styles

Wilde Prints, monochrome Designs, dazwischen Sneakers und Hoodies – Kiew definiert sich in jeder Hinsicht neu und dazu passen auch extravagant-individuelle Looks. Auf der Ukrainien Fashion Week im Herbst ging es teilweise experimentell zu. Auf den Straßen trugen die Fashion-People in der Zeit kreative Layering-Looks in allen Facetten – dicke Daunenjacken zu Plisseeröcken oder Kaschmir-Pullover zu transparenten Kleidern. Die Ukrainerinnen lieben die Mode. Und ihr könnt nach Lust und Laune shoppen, zum Beispiel im 482 Store, im Globus 1 oder in der Boutique Chambre.

Zeit für einen City-Bummel – Oberstadt und Unterstadt in Kiew

In Kiew gibt es viel zu sehen: ausgefallene Soviet Architektur, viele Kirchen und Klöster, Parks zum Entspannen und belebte Einkaufsstraßen. Die ukrainische Hauptstadt ist voller Vielfalt und auch architketonisch sehr spannend durch ihre griechisch-byzantinischen, römischen und auch jüdischen Einflüsse. Kiew war oft zerstört worden und ist wie Phönix aus der Asche immer wieder auferstanden. Die Romanows als einflussreiche Zarenfamilie haben die Stadt mitgeprägt und noch mehr zur Vielfalt beigetragen. Wer also Sightseeing machen will, ist in der Stadt am Fluss Dnepr goldrichtig. Für einen kleinen Energieschub zwischendurch, gibt es an vielen Ecken sogenannte Coffee cars oder Portable Cafés, die seit ein paar Jahren florieren. Frischer Kaffee ist also nie weit weg!

Ein guter Ausgangspunkt für euren Spaziergang durch die Oberstadt ist der Platz der Unabhängigkeit. Von dort geht’s weiter zum Michaelskloster und zur Andreaskirche  Das Mönchskloster mit der himmelblauen Farbe und den goldenen Kuppeln ist in jedem Fall einen Besuch wert. Die Andreaskirche steht auf einem kleinen Hügel, weswegen sie den Spitznamen “Fliegende Kirche” bekommen hat. Von da aus führt euch der leicht ansteigende Andreasstieg – an Malern und Künstlern vorbei – zum sogenannten Kiewer Montmatre-Viertel. Am Beginn der Straße findet jedes Wochenende ein Markt statt, auf dem ihr Essen und typischen Touri-Nippes kaufen könnt.

Das Goldene Tor steht auf jeder Sightseeing-Liste weit oben. Ganz in der Nähe des größten ehemaligen Stadttores findet ihr auch das Museum für russische Kunst. Vom Goldenen Tor lauft ihr die Wul. Wolodymyrska hoch – vorbei an prachtvollen Häusern bis ins Herz des altrussischen Kiew. Auf keinen Fall auslassen, solltet ihr die Sophienkathedrale mit der riesigen, goldenen Kuppel – seit 1990 gehört sie mit ihren tollen Fresken im Inneren zum UNESCO Welterbe.

Von der Oberstadt in die Unterstadt braucht ihr ganze zwei Minuten – steigt einfach in die Zahnradbahn ein. Während ihr in der Standseilbahn Funicular auf dem Weg nach unten zum Fluss Dnepr sitzt, genießt ihr auch noch top Ausblicke. Am Poschtowa Ploschtscha (Postplatz) angekommen, könnt ihr am Ufer entlang zur Fußgängerbrücke der Truchanow-Insel laufen. Oder ihr nehmt den Bus 62 und steigt nach einer Station am Europaplatz aus. Vor dem Platz unterhalb des Bogens der Völkerfreundschaft schwebt ihr mit dem Sessellift Trolley auf die Insel. Der hat ganz schön Tempo! Die kleine Stadtinsel mit sandigem Stadtstrand war übrigens einmal die Lustinsel der Zaren und schenkt euch wunderschöne Panoramablicke auf die Stadt.

Südlich des Stadtzentrums  befindet sich das Höhlenkloster. Als historisches und architektonisches Denkmal des 11. bis 19. Jahrhunderts gehört es zum UNESCO Weltkulturerbe. Seit dem 11. Jahrhundert haben Mönche in den vielen Höhlen unter dem Kloster gelebt, um möglichst abgeschieden zu sein. Ich empfehle euch, diesen Ausflug vormittags einzuplanen, da meist sehr viel los ist.

Und dann gibt es noch zwei Locations, die ich besonders spannend finde. Weil da im Hier & Jetzt etwas in Bewegung ist und Neues entsteht. Das Art Arsenal ist das erste staatlich geförderte Kunstprojekt in der Ukraine. In der von Katharina der II. errichteten Festungsanlage mit 60.000 m2 entstehen Ausstellungsflächen, Museen, Uni-Räume und ein Kino. Hier pulsiert es nur so.

Die digitale Bohème trifft sich im Tschasopis. In dem alten Zeitungsgebäude ist Raum zum Recherchieren, Surfen und Schreiben. Oder einfach, um Kontakte zu knüpfen und über die Welt zu philosophieren.

Night-Out – Feiern. Feiern. Feiern.

Eines ist sicher – die Ukrainer lieben es, auszugehen und sich zu zeigen. Kiev hat ein exzessives Nachtleben und eine rege Weggehkultur. In den angesagtesten Clubs der Stadt gibt es häufig face control. Dabei seid ihr mit femininen, modischen Looks bei den Türstehern aber meistens auf der sicheren Seite.

In den Abend starten könnt ihr mit einem ukrainischen Bier und einem Borschtsch oder mit Pelmeni im 100 Rokvi. Oder ihr gönnt euch ein vegetarisches Essen bei bestem Ausblick auf den belebten Prachtboulevard Chreschtschatyk im Obergeschoss des Pinchuk Art Centre.

Danach könnt ihr im Afterwork-Club Pink Freud Kyiv chillen. Bevor es dann richtig losgeht und ihr euch in den hippsten Clubs in ganz Osteruopa in die Nacht stürzt. Dazu zählen der Klub Closer und der Klub D*Lux. Party People tanzen bis zum nächsten Mittag – instyle.

Was ihr nicht verpassen solltet:
– Schiffstour auf dem Dnepr
– Besuch im Tschernobyl-Museum
– Majdan-Film von Sergei Loznitsa

Wer von euch kennt Kiew? Wie habt ihr die City wahrgenommen? Was ist euch aufgefallen? Schreibt mir … ich bin neugierig.

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Meine Liebe zu Mode und Kommunikation hat mich zu Ana Alcazar gebracht – als Texterin & Konzepterin in der klassischen Werbung groß geworden, schreibe ich seit fast 10 Jahren für unser Münchner Designerlabel. Im Redaktionsteam bin ich für alle Corporate-Themen zuständig, außerdem befasse ich mich hier mit aktuellen Trends & meinem Herzensthema Gleichberechtigung,

3 Kommentare

  • Stefan says:

    Hallo,

    sehr netter Bericht über Kiev, war schon einige mal hier und gehe nächste Woche wieder. Die Lebensfreude der Ukrainer ist mir ebenfalls aufgefallen. Vielleicht noch zu erwähnen bei den Sehenswürdigkeiten Roduna Mat (Mutter Heimat Statue und Museum des vaterländischen Krieges) sowie Meschegorje (Palast von Janukowitsch).

    Stefan

  • step says:

    Hi,
    war 2017 in Kiev und fand es auch sehr schön.
    Was ergänzend sehenswertes noch zu erwähnen wäre die Universität,
    die Schildkröte(Oper),die Wladimirkathedrale (hier finden übrigens täglich kostenlose Konzerte statt(war glaub ich immer gegen 17Uhr),die Markthalle usw
    Und nicht zu vergessen,
    versucht auf jeden Fall in den Aussichtskorb der Mutter Heimat Statue zu kommen!
    Allerdings nur was für schwindelfreie und Menschen ohne Platzangst,
    aber jede Sprosse wert die man nach oben steigt.

    stephan

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