Mrz 2, 2020

EACH FOR EQUAL. Der Weltfrauentag und warum wir ihn dringend brauchen.

Each for equal – also »Jeder für die Gleichberechtigung«, so heißt das Motto für den Internationalen Weltfrauentag 2020 am 8. März. Der Tag selbst hat eine lange Geschichte und auch im Jahr 2020 gibt es noch viel zu tun, bis alle Geschlechter wirklich gleichberechtigt nebeneinander stehen.

Dass wir Frauen heute Hosen tragen, Auto fahren, studieren, Politik machen und wählen erscheint uns ganz selbstverständlich. Aber das war es lange nicht. Bis hierhin war es ein langer Weg. Generationen von Frauen haben sich dafür eingesetzt, gekämpft und Verhaftungen sowie Repressionen in Kauf genommen. Der erste Weltfrauentag überhaupt wurde im Zuge der Kämpfe um das Wahlrecht für Frauen ins Leben gerufen. Letzteres hat sich 2019 in Deutschland ja erst zum 100. Mal gejährt.

Erster Weltfrauentag: Im Kampf ums Wahlrecht entstanden

Genau die Frauen, die das Wahlrecht erstritten haben, waren es auch, die den Weltfrauentag initiierten. Die Geburtsstunde des Weltfrauentages liegt 8 Jahre vor der Einführung des Wahlrechts. Dieser besondere Tag war anfangs die Plattform für die Forderung, endlich Frauen an den Wahlurnen zuzulassen: 1910 sprach sich die Frauenrechtlerin Clara Zetkin auf einer Konferenz sozialistischer Frauen in Kopenhagen für Einführung eines internationalen Frauentages aus. Am 19. März 1911 fand der erste Weltfrauentag dann tatsächlich statt. Das beherrschende Thema an diesem Tag war, endlich die Ungleichheit bei der politischen Mitbestimmung zwischen Männern und Frauen aufzuheben. Frauen in Deutschland, Österreich, Dänemark, der Schweiz und den USA demonstrierten auf den Straßen.

Vorreiterinnen: Nationale Liga der Frauen-Wähler 1924.

Darin gipfelten schließlich die vielen Bemühungen im Vorfeld. Lange hatten Frauen mit massiven Diskriminierungen zu kämpfen wie sie hätten eine „verminderte Intelligenz“ sowie eine durch die „Gebärfähigkeit vorbestimmte Rolle im privaten Bereich“. 1873 stellt die Schriftstellerin Hedwig Dohm fest: „Menschenrechte haben kein Geschlecht.“ – ein Satz der heute noch aktuell ist, wenn man an die Debatten um Intersexualität denkt. 1875 bekam die Frauenbewegung schließlich männliche Unterstützung. Der SPD Politiker August Bebel forderte das Wahlrecht für ALLE Staatsangehörigen. Ihm schlug massive Kritik entgegen. Die SPD ließ sich nicht abhalten und nahm 1891 als erste und einzige deutsche Partei die Forderung in ihr Programm auf. Jetzt war eine kritische Masse erreicht und die Frauenbewegung war nicht mehr zu stoppen. Weltweit wurden Frauenvereine gegründet. 1906 bekommen die Finninnen als erste Europäerinnen das Wahlrecht. Erst 12 Jahre später(!), nämlich im November 1918 wurden das aktive und das passive Wahlrecht für Frauen in Deutschland im Gesetz verankert. Im Januar 1919 lag die Wahlbeteiligung der Frauen bei 82%.

Das Ziel? Aufmerksam machen auf fehlende Gleichberechtigung

1911 entstanden wird der Internationale Frauentag ab 1921 auf den 8. März verlegt und jährlich gefeiert. Eine Ausnahme bildete die NS-Zeit, da war der sozialistische Feiertag verboten. Das Rollenbild des Nationalsozialismus sah den Auftrag der Frauen darin, Kinder zu gebären und das Heim zu hüten. Erst in den 1960er Jahren nimmt der Kampf um Gleichberechtigung wieder richtig Fahrt auf. Es geht um das Recht auf legale Abtreibung. Hier ein paar Fakten rund um Errungenschaften im Kampf um gleiche Rechte für alle, die mich bei der Recherche sehr erschreckt haben. Denn all diese Daten liegen keine 60 Jahre zurück: Bis 1962 dürfen Frauen kein eigenes Konto eröffnen. Bis 1969 brauchen sie die Zustimmung ihres Mannes, um arbeiten zu dürfen. In der Schweiz gibt es das Wahlrecht für Frauen erst seit 1971. In Liechtenstein dürfen Frauen seit 1984 wählen. Erst seit 1997 (!) ist Vergewaltigung in der Ehe eine Straftat.

Lasst uns alle zusammenhalten! Es gibt noch soviel zu tun!

Die Hälfte der Macht gehört den Frauen – wo stehen wir heute?

1977 erkennt die UN-Generalversammlung den 8. März offiziell als Internationalen Frauentag an. 2019 erklärte Berlin den Internationalen Weltfrauentag zum gesetzlichen Feiertag. Die Gleichberechtigung hat es bis ganz vorne ins Grundgesetz geschafft (Artikel 3, Abs. 2 GG: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.”). Soweit das Grundgesetz. So gut. Dabei darf man leider nicht übersehen, dass Deutschland über Jahrhunderte hinweg patriarchal geprägt und dominiert wurde. Das wirkt auch heute noch. So benachteiligen leider lang gewachsene, bestehende Machtverhältnisse Frauen immer noch, auch, wenn sie formal die gleichen Rechte haben wie Männer.

100 Jahre später also kann von Gleichberechtigung nicht die Rede sein. Es gibt eine Fülle an Missständen, die uns beschäftigen: Frauen sind immer noch Gewalt ausgesetzt, Alltagssexismus ist allgegenwärtig (#MeToo), die sexuelle Selbstbestimmung und Abtreibung §219a bleiben Thema, Frauen stoßen an die Gläserne Decke, sind in Führungsetagen unterrepräsentiert und verdienen in Deutschland für die gleiche Arbeit 21% weniger als Männer (Gender Pay Gap). Damit ist Deutschland in der EU in Sachen Equal Pay eines der Schlusslichter.

Im Detail: Wenn es um Gleichstellung in Führungspositionen geht, sprechen die Fakten eine traurige Sprache: In deutschen Vorständen findet man kaum Frauen. Laut einer Studie der Allbright-Stiftung sind gerade 8% der Vorstände in börsenorientierten Unternehmen in Deutschland weiblich. Bei den meisten Unternehmen kommen Frauen in hochdotierten Rollen erst gar nicht vor. Männer wollen lieber unter sich bleiben. Immerhin sind im Bundestag etwa 30% der Abgeordneten weiblich.

Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestaltet sich schwierig: Wenn beide Elternteile arbeiten, verrichten in Familien mit Kleinkindern meist die Frauen anteilig deutlich mehr Arbeit im Haushalt. Die Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern folgt zu oft alten Rollenmodellen. Bleiben Frauen mit Kindern zuhause, werden Erziehungszeiten nicht so wie Arbeitszeiten auf die Rente angerechnet. Häufig konstellieren sich Familien schlussendlich wieder nach alten Mustern. Frauen haben hier deutliche Nachteile, denn der Berufseinstieg nach einer Auszeit in den alten Job ist meist schwierig – zumal, wenn Frauen Führungsrollen innehatten. Diese werden häufig nicht in Teilzeitmodellen besetzt. Wozu das führen kann? Durch einen längeren Ausstieg aus dem Job sind Frauen häufiger von Altersarmut bedroht oder eben finanziell abhängig. Das aktuelle Steuerrecht begünstigt Eigenständigkeit nicht. Durch das Ehegattensplitting haben Verheiratete Vorteile, Alleinerziehende müssen relational mehr Steuern bezahlen. Auch verleitet die Regelung des Ehegattensplittings dazu, die Alleinverdienerehe mit dem Mann als Versorger wieder aufleben zu lassen.

Zum Weltfrauentag werden traditionell Mimosen verschenkt. Während die Blume in Deutschland leider sehr negativ konnotiert ist (“eine Mimose sein”), ist sie in vielen anderen Ländern Symbol für den nahenden Frühling und steht für große Strahlkraft und Durchsetzungsfähigkeit.

Ein Tag für Frauen auf der ganzen Welt

International steht am Weltfrauentag die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen auf der Agenda. Dazu zählen Ehrenmorde, Genitalverstümmelung, Zwangsheirat und Frauenhandel. In Bhutan und Brunei haben Frauen bis heute kein Wahlrecht.

Und jetzt?

Blicken wir zurück auf die westlichen Gesellschaften, so darf man anerkennen, dass sich die Gesellschaft bewegt. Aber viel langsamer, als es wünschenswert und nötig ist. Der Kampf mutiger Frauen über die letzten Jahrzehnte, besser Jahrhunderte, ist nicht ohne Folgen geblieben. Aktuell wurde Harvey Weinstein wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung schuldig gesprochen. Diese Verurteilung ist schon deshalb ein Erfolg, weil es zu ihr gekommen ist. Und sie zeigt die Kraft der #MeToo Bewegung. Auch entscheiden sich immer mehr junge Väter für die Elternzeit. Ja, traditionelle Rollenbilder werden durchaus in Frage gestellt, gleichgeschlechtliche Ehen sind in Deutschland seit 2017 möglich, Rollenbilder von Mann und Frau werden neu verhandelt. Von Ländern wie Finnland können wir lernen.

Aktuelle Themen gibt es mehr als genug. Und damit viele gute Gründe, den Internationalen Weltfrauentag am 8. März bewusst zu begehen. Denn er ist mehr als ein symbolischer oder historischer (Feier-)Tag. Initiiert als Kampftag mit der Idee echter Augenhöhe und Chancengleichheit für alle wurde rund um dieses Datum schon viel erreicht. Lasst uns auch weiterhin für Gleichberechtigung aller Geschlechter auf allen gesellschaftlichen Ebenen einsetzen.

Es gibt noch viel zu tun!

Bei der Recherche zum Thema war ich teilweise richtig erschrocken, wie kurz manchen Entwicklungen zurück liegen. Ein Gesellschafts- und Menschenbild, das Frauen, Andersdenkende, Homo- oder Intersexuelle ausschließen oder benachteiligen will, ist für mich nicht nachvollziehbar und nicht tolerierbar. Echte Gleichheit im Sinne von Chancengleichheit und Augenhöhe ist ein hohes Gut. Postet gern in den Kommentaren, wenn euch das Thema auch bewegt!

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Meine Liebe zu Mode und Kommunikation hat mich zu Ana Alcazar gebracht – als Texterin & Konzepterin in der klassischen Werbung groß geworden, schreibe ich seit fast 10 Jahren für unser Münchner Designerlabel. Im Redaktionsteam bin ich für alle Corporate-Themen zuständig, außerdem befasse ich mich hier mit aktuellen Trends & meinem Herzensthema Gleichberechtigung,

Ein Kommentar

  • Schanze, Kathrin says:

    Beim Blick in die Geschichte kommt hier leider nur die Bundesrepublik Deutschland vor. Es gab mit der DDR einen anderen Teil Deutschlands, in dem so einiges an Gleichberechtigung so gängig und völlig normal war, dass ich (geboren 1964 in Leipzig) mich in Wendezeiten gewundert habe, was in der Bundesrepublik eben alles so nicht gegolten hat. Im Osten musste niemals eine Frau ihren Mann fragen, ob sie arbeiten dürfe (ganz zu schweigen von Kontoeröffnung u.ä.). Gleicher Lohn für gleiche Arbeit war das Normalste der Welt – ja, das gab es schon, und ich habe es erlebt. Dadurch konnten wir uns als Frauen im Osten ökonomisch auch völlig unabhängig von unseren Männern bewegen. Die Grundlage für das Familien- und Scheidungsrecht war konsequent die Gleichstellung von Frau und Mann; das Abtreibungsrecht 1989 in der DDR freilassender als “im Westen” – Stichwort Zwangsberatung, die dann über uns kam. Diese Aspekte kommen in Rückblicken leider kaum vor – und wären es wert, mit Blick auf das ganze Deutschland und seine Frauen viel ausführlicher betrachtet zu werden.

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